Klage gegen 1860: 1:0 für Ziffzer

Im Rechtsstreit zwischen dem Ex-Geschäftsführer und dem TSV 1860 kam es am ersten Prozesstag vor dem Landgericht zu keiner Einigung. Der Richter empfiehlt einen Vergleich, den beide Seiten unter Zuhilfenahme eines Mediators erwirken könnten.
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Bei den Löwen musste er wegen Präsidenten-Verunglimpfung gehen: Ex-Geschäftsführer Stefan Ziffzer.
sampics/Augenklick Bei den Löwen musste er wegen Präsidenten-Verunglimpfung gehen: Ex-Geschäftsführer Stefan Ziffzer.

MÜNCHEN - Im Rechtsstreit zwischen dem Ex-Geschäftsführer und dem TSV 1860 kam es am ersten Prozesstag vor dem Landgericht zu keiner Einigung. Der Richter empfiehlt einen Vergleich, den beide Seiten unter Zuhilfenahme eines Mediators erwirken könnten.

Als Rainer Beeck nach einer Stunde Verhandlung den Gerichtssaal im Landgericht München I verlässt, lächelt der 1860-Präsident eher gequält: „Das ist das Ergebnis, mit dem wir gerechnet haben.“ Dabei war es ein Dämpfer, den die Vereinsführung beim Auftakt des Rechtsstreits mit dem früheren Geschäftsführer Stefan Ziffzer verpasst bekam. Richter Frank Tholl empfahl den Parteien eine gütliche Einigung. „Ansonsten kann’s zu einem jahrelangen Verfahren kommen.“ Ziffzer hatte am 11. Mai 2008 den damaligen Präsidenten Albrecht von Linde in einer Pressekonferenz in der Allianz Arena als „Schande“ bezeichnet – und wurde deshalb fristlos entlassen. Ziffzer, am Freitag nicht geladen, klagt auf Wiedereinstellung – und hat zumindest gute Chancen auf eine satte Abfindung. Spekuliert wird über ca. 400.000 bis 500.000 Euro. – Die spannendsten Fragen zum ersten Prozesstag:

War die fristlose Entlassung rechtens? Den Präsidenten öffentlich als „Schande“ zu bezeichnen, sei „am Rande einer Formalbeleidigung“, meint Richter Tholl, verwies allerdings, als Ziffzers Anwältin Claudia Rid von Linde Mobbing vorwarf, aufs „Gebot der Waffengleichheit“.

Hilft DFB-Präsident Theo Zwanziger dem Kläger? Ihn brachte Richter Tholl bei der Debatte um die „Schande“ ins Spiel: „Im Fußball zählt das härtere Wort, so hat Herr Zwanziger auch die Konfrontation zwischen Ballack und Bierhoff erklärt.“ Der DFB-Kapitän hatte sich mit dem DFB-Manager nach dem EM-Finale ein Wortgefecht geliefert. Ähnlich argumentiert Ziffzers Anwältin: „Wir befanden uns in einem Fußballstadion – nicht in der Vorstandsetage der Deutschen Bank.“

Welche Rolle spielt Gregor Gysi für 1860? Claudia Rid, Ziffzers taffe Rechts-Blondine, versuchte, den Satz von der „Schande“ herunterzuspielen, indem sie auf das Niveau im Deutschen Bundestag verwies: „Da hat der Thomas Strobl auch gesagt, dass Gregor Gysi als Anwalt eine Schande ist.“ Gysi hat nicht gegen den CDU-Abgeordneten geklagt – ist als Fraktionschef der Linkspartei aber auch nicht dessen Dienstherr.

Warum wurde Ziffzer ein weiteres Mal gekündigt? 1860 hat ihm am 6. August vorsorglich noch einmal gekündigt, obwohl er da schon gar nicht mehr für die Löwen arbeitete. Der Vorwurf: Verstoß des unlauteren Wettbewerbs. Ziffzer hatte in Sponsoren-Verträgen mit der Stadtsparkasse und den Stadtwerken reinschreiben lassen, dass die Unternehmen ein Sonderkündigungsrecht haben – falls er oder sein Geschäftsführungs-Kollege Stefan Reuter nicht mehr im Amt seien. Allerdings wurde Ziffzer erst für einen dritten ähnlichen Vertrag mit Ausrüster Erima Linde schriftlich ermahnt. Anwalt Jan Weißgerber: „Ziffzer hat seine Kompetenzen überschritten.“

Was droht Sportdirektor Stefan Reuter? Beim Thema Sponsoren wunderte sich Richter Tholl: „Es gab doch noch weitere Geschäftsführer, die diese Verträge unterschrieben haben.“ Gemeint war Reuter. Tholl schelmisch: „Gab’s da auch arbeitsrechtliche Konsequenzen? Vielleicht eine Abmahnung?“ Natürlich nicht. Schmunzeln im Saal, Schweigen auf der 1860-Seite.

Ist der Richter (als Fan) befangen? Sicher nicht. Frank Tholl (42), Stürmer in der Justizsportgemeinschaft, stand zwar beim legendären 3:3 gegen Schweinfurt zu Bayernligazeiten im Grünwalder, verriet aber der AZ: „Ich bin eher Bayern-Fan. Mit 1860 leide ich nicht.“ Also fühlt er, der sich ja ohnehin per Eid der Gerechtigkeit verpflichtet hat, sich keiner der zerstrittenen Seiten emotional zugehörig.

Warum soll’s ein Mediator richten? Tholl fürchtet, dass der Rechtsstreit ohne gütliche Einigung sich über Jahre hinzieht und in weiteren Instanzen noch vor dem Oberlandesgericht und sogar dem Bundesgerichtshof landen könnte. Nachteil für den klammen TSV 1860: „Sie müssen dann Rückstellungen bilden.“ Dafür aber könnte 1860 das Geld fehlen. Tholl empfiehlt, mit einem Mediator einen Vergleich aushandeln zu lassen. Genau darauf zielt der Kläger ab. „Da sind wir schnell dabei“, sagt Anwältin Rid. 1:0 für Ziffzer.

Wird 1860 zahlen? Präsident Beeck bat um zwei Wochen Bedenkzeit, sagte aber der AZ: „Der Aufsichtsrat hat uns beauftragt, einem Vergleich nicht zuzustimmen.“ Bei einer Außerordentlichen Aufsichtsratssitzung soll das nun erörtert werden. „Aber erstmal“, sagt Beeck, „geht’s ins Trainingslager“. Vor Gericht geht’s am 27.2. weiter, spannende Unterhaltung ist garantiert. Auch ohne Gysi. Gunnar Jans, Oliver Griss

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