Kirmaier-Affäre: Unaufhaltsam bis zum Bundesgerichtshof?

München - Wer am Dienstagmorgen um 9.00 Uhr im Gerichtssaal 219 des Landgerichts München I war, wurde Zeuge eines Paradebeispiels, warum die deutsche Justiz so ist, wie sie ist. Überlastet, ineffektiv und mitunter für keinen Normalsterblichen verständlich. Guido Kambli und Heinz Schmidt, die vom Gericht anerkannten Vertreter des TSV 1860, saßen linker Hand. Anwalt Heinz Veauthier und Kläger Helmut Kirmaier rechter Hand. In der Mitte ein richterliches Triumvirat um Richter Dr. Lars Baumann, das teils jovial, teils genervt, teils verzweifelt und teils inkonsequent und selbstverschuldet einem Chaos vorsaß, das man gemeinhin als Prozess hätte bezeichnen müssen.
Einzig: Schon von der ersten Sekunde an war dieser "Prozess" zum Scheitern verurteilt. Veauthier und Kirmaier wollten Kambli und Schmidt nicht als gesetzliche Vertreter des Vereins anerkennen, da man die Klageschrift an das ehemalige Präsidium um Dieter Schneider gerichtet habe und von diesem ehemaligen Vereinsvorstand natürlich niemand anwesend war. Weil das Gericht aber Kambli und Schmidt anerkannte, war auch direkt die Stimmung zwischen Richterbank und Klägerseite vergiftet, was sich schlussendlich in Anschuldigungen niederschlug, das Gericht sei befangen, habe sich von 1860 beeinflussen lassen und sei parteilich.
Noch einmal zum Hintergrund: Kirmaier hatte gegen den TSV 1860 geklagt, weil der Verein - sehr vereinfacht gesprochen - handwerkliche Fehler in der Präsidentenwahl Gerhard Mayrhofers im Juli 2013 begangen hatte und ein Gericht diese Fehler zumindest teilweise anerkannt hatte. Deshalb hatte der Verein zuerst einen Notvorstand einberufen müssen, um anschließend eine neuerliche Delegiertenversammlung einberufen zu können, auf der Mayrhofer dann am 2. Dezember 2014 als Löwen-Boss neu gewählt wurde.
Man könnte meinen, dass nun alle zufrieden sind. Veauthier und Kirmaier sehen das nicht so. Für sie ist noch immer Dieter Schneider im Amt. Was klingt, wie eine schlecht erklärte "Sendung-mit-der-Maus"-Story, nahm am Dienstag seine Fortsetzung. Kirmaier klagte gegen eben jene Bestellung eines Notvorstandes und gegen die Beschlüsse der darauf folgenden Delegiertenversammlung. Das Gericht wies die Klage ab.
Für die Klägerseite kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Der Verein habe ein "Perpetuum mobile" geschaffen, ein sich ständig weiterdrehender Prozess, bei dem sich die Katze in den Schwanz beißt, bis jemand der Katze jenen Schwanz einmal abschneidet. Weil der Klub aber formaljuristisch längst wieder auf Kurs ist, macht das natürlich kein Gericht mehr. So bestätigte auch das LGM I den mittlerweile von Mitgliedern UND Delegierten gewählten Präsidenten Mayrhofer im Amt.
Für Anwalt Veauthier ein Unding: "Wir sind nicht weit von einem Staat als Räuberbande entfernt, in dem Personen begünstigt werden", schäumte er bereits während der Verhandlung und erklärte: "Dann ist die bayrische Justiz womöglich nicht die letzte Instanz, in der über diesen Fall entschieden werden wird". Was er damit meinte, ist klar. Zusammen mit seinem Mandanten wird er in Revision gehen. Zur Not bis zum Äußersten - bis zum Bundesgerichtshof. "Bei Urteilen, die falsch sind, sollte man in Berufung gehen", erklärte er. "Vor allem bei solchen, bei denen man das Gefühl hat, dass sie offenbar schon sein Wochen gefällt waren".
Der TSV 1860 wird sich also noch auf einen langen Rechtsstreit einstellen müssen, obwohl mittlerweile das fünfte Gericht dem Verein Recht gegeben hat. Zwei weitere Verhandlungen sind bereits angesetzt: Am 18. August entscheidet das Amtsgericht über die Rechtmäßigkeit des Vereinsausschlusses gegen Kirmaier, am 26. August geht es vor dem Oberlandesgericht um die Nachverhandlung des ursprünglichen Urteils zur Mitgliederversammlung aus dem Juli 2013. Über zwei Jahre geht dann dieser Streit schon. Die Löwen mögen in nichts Kontinutität reinbekommen - in Sachen Streitigkeiten aber kann 1860 offenbar nicht genug bekommen.