Kiraly: Der Tiger unter Löwen

MÜNCHEN - Der Ungar, der 1860-Pokalheld, ist - mit Verlaub - ein seltsamer Typ. Und sagenhaft abergläubisch. Seit 13 Jahren trägt er einen Talisman unterm Trikot. Und gegen Hertha, glaubt er, stärkte ihn ein Medaillon.
Normalerweise ist Torwart-Ikone Petar Radenkovic der Typ Mensch, der sich mit Superlativen lieber zurückhält, wenn die Rede auf den TSV 1860 kommt. Doch nach dem erfolgreichen Elfmeter-Krimi gegen Hertha BSC (6:3) und den Heldentaten von Torhüter Gabor Kiraly wurde Radi dann ausnahmsweise doch euphorisch. „Wie Kiraly gespielt hat“, sagte der 74-Jährige anerkennend zur AZ, „dafür gibt es nur ein Wort: Weltklasse!“
Nicht nur, weil der Löwen-Keeper den ersten Elfmeter von Kacar entschärft hatte. Schon in den vorangegangenen 120 Minuten hielt der 33-jährige Ungar die Löwen mit starken Reflexen im Pokal. Am Ende stand ein Sieg und eine denkwürdige Gänsehaut-Partie, die wohl zu den bewegendsten Löwen-Spielen der letzten zehn Jahre zählte (siehe Kasten rechts). Kiraly kam in diesem Fußballdrama von Fröttmaning die Hauptrolle zu. Trainer Ewald Lienen sagte hinterher: „Ich kann mich bei Gabor nur bedanken.“
Radenkovic, Torwart der Meisterlöwen von 1966, sagt es so: „Kiraly zählt für mich immer noch zu den stärksten Torhütern im deutschen Fußball. Für 1860 ist er ein Glücksfall.“ Verteidiger Torben Hoffmann: „Gabor ist einfach ein Teufelskerl. Der zieht die Bälle förmlich an.“ Dass Kiraly in der Nervenschlacht gegen Hertha die Nerven behalten hat, ist womöglich auch auf ein paar seltsame Marotten des Ungarn zurückzuführen. Kiraly ist extrem abergläubisch. Seit 1997 trägt er unter seinem Torwart-Trikot ein Shirt, auf dem vorn ein Tiger und auf dem Rücken die Nummer 13 zu sehen sind. Egal, ob er für Ungarns Nationalteam spielt oder eben den TSV 1860 – Kiraly hat’s immer drunter. „Die 13 ist meine Glückszahl“, sagt er, „sie hilft mir.“ Aber nur, wenn der Spieltag nicht auf einen 13. fällt: „Wenn ich an einem 13. spiele, kann’s gefährlich werden. Ich habe von acht Spielen schon sieben verloren.“ Torwart-Arithmetik.
Der Tag des Pokal-Fights gegen Hertha fiel dankenswerterweise auf den 23. September. Dass ihm Glück an diesem Abend zur Seite stehen würde, ahnte Kiraly schon vor dem Anpfiff: Beim Warmschießen hatte er im Strafraum jenes Medaillon verloren, das er als Glücksbringer an einer Goldkette am Hals trägt. Torwarttrainer Jürgen Wittmann fand es wieder – „auf dem Elfmeterpunkt in der Nordkurve, wo später das Elfmeterschießen war“, sagte Kiraly am Donnerstag grinsend. „Da wusste ich: Gegen Hertha kann passieren was will, wir kommen weiter.“
Dank Kiraly stehen die Löwen nun im Achtelfinale. Der Pokal-Traum lebt. Und was hat es bei Kiraly mit dem Tiger unter dem Trikot auf sich? „Ich bin verrückt nach Tigern“, sagt er, „das rührt schon aus meiner Kindheit.“ Der Tiger sei für ihn ein Zeichen von Stärke. Als ihm mal in seiner Zeit als Profi von Crystal Palace die T-Shirts ausgingen, ging er in eine Tankstelle in Southampton und kaufte gleich fünf Stück nach. Kiralys Wohnung in Thalkirchen ist voll von Souvenirs mit dem Tiger-Logo: Bettwäsche, Unterwäsche – und nun hat seine Frau Zsanett sogar eine Tapete mit Tiger-Muster besorgt. Kiraly: „Ich bin wirklich ein bisschen verrückt“, sagt er. Sogar einen kleinen ausgestopften Tiger hat er in seiner Wohnung stehen. Er versichert rasch, das Stück legal erworben zu haben.
Torhüter, sagt man im Fußball, ticken anders. Auf Kiraly trifft das sicher zu. Zum Glück für die Löwen.
Oliver Griss