„Keine Lösung ohne Kopf“

MÜNCHEN - Neue Kehrtwende: Plötzlich soll das Investment doch wieder angetrieben werden. Und angeblich ist selbst Schwarzer-Kritiker Ude einverstanden.
Gestern war einer der seltenen Tage der Zusammenkunft bei 1860. Es gab ja reichlich Redebedarf in den Führungsgremien. Also trat das Präsidium, das den Investor-Deal im ersten Anlauf so eigenmächtig geplant und so blamabel in den Sand gesetzt hatte, mittags beim Aufsichtsrat an, im Büro von dessen Boss Peter Lutz in der Brienner Straße.
Das Ergebnis war einigermaßen überraschend. Das Präsidium, das tags zuvor von Aufsichtsratsmitglied Christian Ude noch so schwer gerüffelt worden war („handwerkliche Fehler!“), blieb komplett im Amt. Statt Fehler einzugestehen, trat Präsident Rainer Beeck am Nachmittag mit der Führungscrew im Rücken an der Grünwalder Straße auf: Dort verkündete er, dass Manfred Stoffers ab sofort Geschäftsführer der Löwen ist. Die einzige Veränderung. Reichlich Fragen blieben.
Wieso gab es nach der Investor-Blamage keine Rücktritte?[
„Es ist keine Lösung, den Verein jetzt ohne Kopf dastehen zu lassen“, führte Beeck aus. Auch die Vizepräsidenten Franz Maget und Michael Hasenstab, der maßgeblich für den Entwurf der Verträge verantwortlich war, bleiben. Beeck: „Uns haben auch die vielen positiven Reaktionen unserer Fans zum Weitermachen überzeugt.“ Der Aufsichtsrat beließ es dabei.
Warum straften Ude und der Aufsichtsrat das Präsidium nicht ab?
Der zuvor so kritische OB Ude fehlte bei der gestrigen Aufsichtsratssitzung, er kommt erst heute vom Städtetag in Berlin zurück. So war Willi Mantel („Wir sind belogen und betrogen worden“) das einzige Aufsichtsratsmitglied, das offensiv gegen das Präsidium eingestellt war. Ude hatte erklärt, er sei „kreuzunglücklich“ mit dem Vorgehen des Präsidiums gewesen; er hatte sich (vergeblich) für eine Rückkehr von Stefan Reuter als Geschäftsführer eingesetzt und Vorbehalte gegen Möchtegern-Investor Nicolai Schwarzer geäußert. Gestern aber sagte Aufsichtsrats-Chef Lutz nach der Sitzung, er habe zum Ergebnis „positive Signale“ von Ude erhalten. Eine seltsame Wendung.
Was wird jetzt aus dem Investoren-Deal?
Die Löwen wollen nun einen zweiten Anlauf unternehmen, um Immobilien-Makler Schwarzer (und dessen Millionen) ins Boot zu holen. Dass sie das Geschäft am Montagabend überraschend für geplatzt erklärt hatten, war laut Präsident Beeck nichts weiter als die Folge eines „intern aufgetretenen Kommunikationsproblems“. Das sagte er gestern immer wieder. Der neue Geschäftsführer Stoffers ist jetzt beauftragt, die Verträge mit Schwarzer bei der DFL durchzubringen. Im Erstversuch war der Kontrakt schon intern durchgefallen, Aufsichtsrat Ude hatte Vize Maget nach der Lektüre schwere Bedenken mitgeteilt.
„Der Vertrag war eine Frühgeburt, jetzt muss er in den Brutkasten“, sagte Stoffers gestern. Beeck will von Schwarzer „positive Signale“ erhalten haben, dass „es mit dem Invest noch klappen könnte.“ Schwarzer selbst ist zurückhaltender. „Das war der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagte er der AZ, „ich möchte mir nun die Entwicklung der nächsten Tage bei 1860 ansehen, bevor wir eine Entscheidung treffen.“
Wo lag der Fehler beim ersten Versuch mit Schwarzer?
Laut Beeck hätte man sich den ganzen Ärger zu Wochenbeginn sparen können (netter Gedanke). Beeck: „Uns lagen am Montag Informationen vor, die uns glauben lassen mussten, dass die DFL das Modell ablehnen würde. Darum entschlossen wir uns gemeinsam mit Nicolai Schwarzer, das Invest vorerst ruhen zu lassen.“ 1860-Geschäftsführer Markus Kern, der an der Ausarbeitung des Geschäfts vom Präsidium nicht beteiligt worden war, hatte Bedenken von der DFL erfahren. Kern war es auch, der Ude die Vertragsinhalte zugänglich machte.
Was passiert mit Geschäftsführer Kern?
Er bleibt, auch wenn er vom Präsidium eine öffentliche Rüge erhielt, weil er Ude alarmiert hatte. Beeck: „Ich wäre sehr froh gewesen, wenn Kern uns vorher von seinem Vorhaben informiert hätte.“
Was ist mit dem Sportdirektor-Posten?
Miroslav Stevic bleibt im Amt, diese Personalentscheidung hat der Aufsichtsrat gestern abgenickt. Stevic’ Vorgänger Stefan Reuter bekam eine ordentliche Kündigung zugestellt, führte Beeck aus. Am 30. Juni endet der Vertrag, bis dahin ist er beurlaubt.
Filippo Cataldo, Oliver Griss