Karsten Wettberg: "1860 verliert Zeit"

AZ: Herr Wettberg, vor genau zwölf Jahren war der TSV 1860 gerade aus der Bundesliga abgestiegen. Wie sehr schmerzt es heute noch?
KARSTEN WETTBERG: Immer noch sehr, das ist doch klar. Man hatte ja auch keinen Plan für die Zweite Liga. Damals hat der Niedergang begonnen.
Nun haben sich die Löwen vor dem Abstieg gerettet. Vor der anstehenden, 13. Zweitliga-Saison ist in Sachen Planung auch noch nicht viel passiert.
Es sind wieder 14 Tage vergangen – ohne Resultat. Man muss die Realität erkennen: 1860 ist zwei Mal mit viel Dusel in der Liga geblieben. Es gilt, schnellstmöglich die Schlüsse daraus zu ziehen und entscheidende Dinge zu ändern.
Die da wären?
Zunächst muss ein Trainer her. Der muss das Team zusammenstellen. Schon klar, dass die Gesellschafter das absegnen müssen. Gut auch, dass Hasan Ismaik die 4,2 Millionen für die Lizenz und sogar Geld für dringend benötigte Renovierungsarbeiten gibt. Aber für den Trainer muss in erster Linie Oliver Kreuzer als Sportchef verantwortlich sein. Wenn er einen Trainer will, der finanziell machbar ist, müsste das nur Formsache sein. Dieses Hinauszögern verhindert wieder, die ersten Neuzugänge zu holen. Sechzig verliert unnötig Zeit. Spieler und Berater wollen wissen: Was ist los?
Mirko Slomka gilt als aussichtsreicher Kandidat, auch Franco Foda ist noch nicht aus dem Rennen. Ihr Favorit?
Beide wären eine gute Wahl. Slomka hat in Hannover und sogar auf dem Pulverfass Schalke gute Arbeit geleistet, Foda seine Erfolge bei Graz. Wegen seines laufenden Vertrags kommt die Geldfrage ins Spiel: Kann man dann weniger Spieler verpflichten? Zahlt Ismaik mehr? Nach meinen Informationen bekommen die Löwen dank einer Klausel, die Miki Stevic damals eingebaut hat, für Vollands Wechsel zu Leverkusen zwei Millionen. Damit sähe die Welt anders aus.
Slomka sagte kürzlich, man müsse sich bei der Ausrichtung des Klubs einig sein und dabei seien er und 1860 noch weit entfernt.
Einigkeit ist bei 1860 ja so eine Sache. Im Verwaltungsrat sitzt nicht einer, der eine Fußballvita hat. Nicht einer! Da treffen andere die sportlich wichtigen Entscheidungen. Aber letzten Endes ist der Sportchef verantwortlich, er wird ja auch verantwortlich gemacht.
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Heißt, Kreuzer soll die Entscheidungen alleine fällen?
Für mich müsste er Geschäftsführer Sport werden. Er ist der Einzige mit Fußball-Sachverstand. Markus Rejek wollte den Job damals gar nicht, und Noor Basha kommt ebenfalls aus einem anderen Bereich. Wenn Kreuzer für das Toilettenpapier immer einen Geschäftsführer braucht, kann ich ihn nicht für andere Dinge verantwortlich machen. Früher, bei Florian Hinterberger, hat Robert Schäfer über alles entschieden, sich ins Sportliche eingemischt. Am Ende musste Hinterberger gehen. Wenn jemand irgendetwas verantworten soll, muss er das Sagen haben.
Der letzte Geschäftsführer Sport mit größeren Kompetenzen dürfte keine Glücksgefühle bei Ihnen auslösen.
Das war doch einmalig im deutschen Fußball. Da wurden Versprechungen gemacht und eines der letzten Idole vom Hof gejagt, während ein 18-Jähriger Kapitän geworden ist (Gabor Kiraly und Julian Weigl, d. Red.) Da wurde über uns gelacht. Es ist traurig, was uns Gerhard Poschner an Geld gekostet hat. Kreuzer ist kein Vergleich. Wenn man endlich einmal sportliche Kompetenz hat, sollte man die nutzen.