Jürgen Kohler: München kann zwei große Klubs vertragen

Die Löwen gegen den SV Waldhof: Vor dem Duell der beiden Kult-Vereine spricht der ehemalige Mannheimer Jürgen Kohler in der AZ über Tradition und Investoren – und die Aufstiegsträume der Fans.
von  Matthias Eicher
Jürgen Kohler: "Es braucht heutzutage nicht nur Laptoptrainer, die nie höherklassig gespielt haben."
Jürgen Kohler: "Es braucht heutzutage nicht nur Laptoptrainer, die nie höherklassig gespielt haben." © imago images/Eduard Bopp

Der Welt- und Europameister Jürgen Kohler feierte einst bei Waldhof Mannheim sein Debüt als Profi. Aktuell trainiert der 54-Jährige die U19 des Drittligisten Viktoria Köln.

AZ: Herr Kohler, wir würden uns gerne mit Ihnen über ein Duell zweiter Traditionsvereine unterhalten, die sich nach dem Absturz in den Amateurfußball langsam wieder aufraffen?
JÜRGEN KOHLER: Sie meinen die Löwen und Mannheim, oder? Gerne! Ich wäre für ein 3:3. Als Verteidiger früher haben mich solche Ergebnisse genervt, aber als Trainer denke ich offensiv – und so ein torreiches Remis hätte doch was für beide Fanlager.

Können Sie sich noch erinnern, als Sie mit 18 Jahren ihren ersten Profivertrag bei Waldhof unterschrieben haben?
Das war eine tolle Zeit. Ich bin in Mannheim aufgewachsen, habe dem Verein viel zu verdanken. Man erinnert sich gerne an diese unglaublichen Momente, Weltmeister zu werden. Aber der Schlüssel für meinen ganzen Werdegang war damals meine erste Profistation in Mannheim. Ich werde immer dafür dankbar sein.

Jürgen Kohler: "Es braucht heutzutage nicht nur Laptoptrainer, die nie höherklassig gespielt haben."
Jürgen Kohler: "Es braucht heutzutage nicht nur Laptoptrainer, die nie höherklassig gespielt haben." © imago images/Eduard Bopp

Kohler über TSV 1860: "Sechzig ist ein sympathischer Klub"

Wie nehmen Sie Ihren Ex-Verein, den Trainer Bernhard Trares in die Dritte Liga geführt hat, aktuell wahr?
Der SVW spielt als Aufsteiger eine überragende Saison, ist gerade auswärts eine Macht. Trares macht einen sehr guten Job, er hat eine starke Mannschaft zusammengestellt: Mit einem Marco Schuster als Abräumer, mit Valmir Sulejmani und Mounir Bouziane vornedrin. Ich denke, dass sie die Liga locker halten und im nächsten, übernächsten Jahr den Aufstieg anpeilen können.

Hatten Sie damals während ihrer Zeit beim FC Bayern (1989 – 1991) auch den TSV 1860 auf dem Schirm?
Ich finde, Sechzig ist ein sympathischer Klub. Ich habe die Löwen schon immer gemocht. Die Rivalität hat man damals in der Stadt schon mitgekriegt, aber eben nicht auf dem Rasen, da Sechzig ja nicht erstklassig war. Die späteren Erfolge unter Trainer Werner Lorant und dem damaligen Präsidenten (Karl-Heinz Wildmoser; d. Red.) sind legendär.

Daniel Bierofka hatte sie jetzt in der schwersten Situation übernommen und die Rückkehr in den Profifußball geschafft, ähnlich wie Trares mit Mannheim. Beide Klubs hatten Existenzängste und ich bin sehr froh, dass sie die Kurve gekriegt haben. Sechzig hat jetzt mit Michael Köllner einen erfahrenen Trainer, der mit dem Club Erfolge gefeiert hat, sich im Jugendbereich auskennt. Ich glaube schon, dass wir 1860 auf absehbare Zeit wieder in der Zweiten Liga sehen werden. Uli Hoeneß wird es vielleicht nicht so gerne hören, aber München kann schon zwei große Klubs vertragen. (lacht)

"Bei Sechzig hat Köllner einen richtigen Lauf"

Sechster gegen Vierter – Sechzig gegen Mannheim ist ja fast ein Spitzenspiel und die Fans beider Klubs dürften teils vom Aufstieg träumen.
Ich denke, beide sind momentan mehr als in der Spur für die Ziele, die man vor der Saison ausgerufen hat. Mannheim ist nach einigen Unentschieden in einen Flow gekommen. Bei Sechzig hat Köllner wohl die richtigen Hebel und Worte gefunden und einen richtigen Lauf. Mich freut es, dass beide oben mitspielen, aber: ein Schritt nach dem anderen.

Wie schwer ist gerade für solche Kult-Klubs in der heutigen Zeit der Spagat zwischen Tradition und Investoren?
Ohne Investoren geht es heutzutage nicht. Beide Klubs sind von Investoren am Leben gehalten worden, da braucht man sich auch nichts vormachen. Mannheim hat mit Bernd Beetz jemanden gefunden, der die nötigen wirtschaftlichen Mittel mitbringt und sehr bedacht agiert. Aus meiner Sicht bringt es nichts, innerhalb eines Vereins in zwei Richtungen zu denken: Bei den Löwen wäre es ohne Hasan Ismaik schon lange eng geworden. Seine Euros kann 1860 gut gebrauchen. Du kannst in einem Verein keine Führungsposition bekleiden, ohne mit allen Seiten im Dialog zu sein. Den Fans kann man nie alles Recht machen, aber alle Seiten wären gut beraten, ein gewisses Miteinander zu leben. Leicht gesagt, schwer getan.

Zurück zum Sport: Sie haben in der vergangenen Saison gleich doppelt gefeiert: Mit der U19 von Viktoria Köln sind Sie in die Bundesliga aufgestiegen – und als Interimscoach mit den Profis in die Dritte Liga.
Das war außergewöhnlich, es waren tolle Momente für mich. Es braucht heutzutage eben nicht nur Laptoptrainer, die nie höherklassig gespielt haben: Es ist schon wichtig, das weiterzugeben, was man selbst erlebt hat.

Was hat ein Mann, der als Spieler eine Bilderbuchkarriere hingelegt hat, für Ziele als Trainer? In welchen Ligen wird man den Coach Jürgen Kohler noch sehen?
Hoffentlich nicht als Interimstrainer bei Köln, denn ich hoffe, dass Pavel Dotchev mit unserer Mannschaft den Klassenerhalt schafft! Ich würde mir persönlich aber schon wünschen, einmal einen Zweitligisten oder Drittligisten trainieren zu dürfen.

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