Jimmy Hartwig - Totgeglaubte leben länger!
München - Er ist ein bunter Hund. Nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern weil Jimmy Hartwig im Leben kaum was ausgelassen hat. Das Leben des einstigen Fußballprofis gleicht einer Achterbahnfahrt zwischen Erfolg und Niederlagen.
Dreimal Deutscher Meister mit dem Hamburger SV, schmerzliches Karriere-Ende wegen Knieverletzung, krebsbedingt knapp dem Tod entronnen, wilde Partys, finanzielle Pleite, zwei gescheiterte Ehen und mittlerweile seine Neuerfindung als erfolgreicher Theaterschauspieler und glücklicher Familienvater.
Seine Maxime: "Egal wie sehr es dich umhaut, immer wieder aufstehen! Ich bin ein Kämpfer!" (nachzulesen in seiner Biographie "Ich bin ein Kämpfer geblieben", Siebenhaar Verlag, 14,80 Euro). Am heutigen Sonntag feiert der Tausendsassa seinen 60. Geburtstag. Das Interview zum Jahrestag
Auch bei "K11" war Jimmy Hartwig schon im Einsatz - das sehen Sie in diesem MyVideo-Clip
Sie begehen heute Ihren 60. Geburtstag. Feier- oder Trauertag?
Jimmy Hartwig: Ich Freude mich, dass ich so weit gekommen bin. Noch vor 15 Jahren hätte kein Mensch geglaubt, dass ich so alt werde. Gehirntumor, Prostata- und Hodenkrebs - mein Leben war damals keinen Pfifferling mehr wert. Aber ich habe gekämpft und überlebt, das macht mich stolz. Auch, weil ich es allen gezeigt habe, die mich schon totgesagt hatten. Totgeglaubte leben eben länger! Trotzdem stimmt mich die Zahl 60 etwas traurig. Denn damit ist das letzte Drittel angepfiffen.
Was hat das Leben Sie gelehrt?
Hartwig: Vertraue keinem Menschen, außer deiner Familie. Ich bin ein Junge von der Straße, der das Herz auf der Zunge trägt und der immer viel zu gutgläubig war. Ich war lange umgeben von Speichelleckern und Schulterklopfern, die mich nur ausgenutzt haben.
Der bitterste Moment?
Hartwig: Ich habe zwei Selbstmordversuche unternommen, weil ich mich von Freunden verraten und verkauft fühlte. Man hatte mein Geld veruntreut, ich stand plötzlich vor dem Nichts und war quasi obdachlos. Ich hatte den Glauben an die Menschheit verloren und sah kurzfristig keinen anderen Ausweg.
Der schönste?
Hartwig: Als ich meine dritte Frau Stefanie geheiratet habe. Wir haben uns vor 18 Jahren bei der Arbeit beim Deutschen Sportfernsehen kennen gelernt. Damals hatte sie mich nach einer kurzen Verlobungsphase wieder in die Wüste geschickt und meinte: "Werd' erst mal erwachsen, dann darfst du wiederkommen." Das habe ich mir zu Herzen genommen und sie schließlich vor vier Jahren geheiratet.
Was hat sich dadurch geändert?
Hartwig: Stefanie hat mir gezeigt, dass das Leben anders funktioniert. Durch sie bin ich zu einem wahrhaftigeren Menschen geworden. Ich kann jetzt Tiefe zulassen und bin nicht mehr so ein oberflächlicher Luftikus. Außerdem hält sie mir alle Arschlöcher von der Backe. Sie blockt alles ab, was mir nicht gut tut. Sie ist der Chef in unserer Familie, und das ist gut so.
Muss hart sein für jemanden, der für seine große Klappe berühmt ist?
Hartwig: Nein, gar nicht. Die große Klappe kommt mir heute bei meiner Arbeit als Bühnenschauspieler zugute. Derzeit toure ich mit einem Stück von Albert Ostermaier, das den sinnigen Titel "Spiel ohne Ball" trägt. Da kann ich meinem Temperament freien Lauf lassen. Ähnlich wie am Fußballplatz gebe ich da 90 Minuten lang alles. Nur dass ich dabei nicht so ins Schwitzen komme.
Und wahrscheinlich andere Gagen bekommen, als das Fußballstars gewohnt sind.
Hartwig: Ich kann mich nicht beklagen, uns geht's auch ohne Millionen gut. Es war zwar ein schönes Gefühl, wie ich damals beim Hamburger SV meine erste Million gemacht habe, aber Geld war für mich immer nur Zahlungsmittel. Ich habe heute andere Prioritäten in meinem Leben: Familie, Kinder und gute Freunde. Und solange wir uns ab und an ein Weißwurstfrühstück leisten können, sind wir zufrieden.
Reicht es auch noch für ein Stadion-Ticket um Ihre alte Mannschaft, die Löwen, zu besuchen?
Hartwig: Ja klar, aber ich bin ein Fan von schönen Fußballspielen. Und wenn ich schöne Spiele sehen will, dann gehe ich lieber zu den Bayern. Aber am liebsten schaue ich mir Fußballspiele aus der dritten Reihe an. Ich engagiere mich nämlich heute auf dem Platz für die Integration von jugendlichen Randgruppen.
Was würden Sie heute rückblickend anders machen?
Hartwig: Ich wäre heute nicht mehr so bemüht, jedem zu gefallen. Ich habe immer den Sunnyboy gegeben und es war mir ganz wichtig, dass mich alle lieben. Das hat mir das Genick gebrochen. Heute ist mir egal, ob die Menschen mich lieben, Hauptsache sie respektieren mich.
Was bereuen Sie am meisten?
Hartwig: Dass ich bei der Wahl meiner Frauen früher nicht so genau hingeschaut habe. Ich habe Frauen meist nur als Sexobjekt betrachtet - Hauptsache hübsch, willig und devot. Das war verplemperte Zeit. Eine Partnerin auf Augenhöhe, wie meine Frau Stefanie, die mir den Spiegel vorhält, hätte mir auch als junger Bursche gut getan. Von jungen Mädels kann man nur lernen, wie man Party macht und Geld ausgibt. Aber nur von älteren Partnerinnen kann man lernen, wie Frauen denken und fühlen. Und ich wollte immer Frauen verstehen.
Zarte Töne, für jemand, den die meisten für einen Chauvi halten.
Hartwig: Ich hatte zwar immer eine große Klappe, aber ich habe immer Fairplay gespielt. Wer mich kennt, der weiß, dass sich hinter der harten Schale ein weicher Kern versteckt. Wenn "Titanic" läuft, oder meine Tochter heult, dann fange ich an zu flennen. Aber das ist in Ordnung. Richtige Männer müssen Gefühle zeigen können. Wenn ich heute meine Tochter zum Kindergarten bringe, oder ihr den Hintern abwische, dann fühle ich mich männlicher als je zuvor.
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