"Ja, seid’s ihr deppert?" Löwen-Wahnsinn in zehn Akten
Das 2:1 gegen Bochum war ein Spiel, das Hollywood nicht besser hätte inszenieren können. Schafft der TSV 1860 tatsächlich noch ein Happy End?
München - Der TSV 1860 lebt wieder. Und wie. Nach einer emotionalen Achterbahnfahrt, wie man sie selten erlebt hat in der Allianz Arena, glauben die Löwen wieder an den Klassenerhalt. Die AZ blickt auf die aufwühlenden 90 Minuten des 2:1 (0:1) über den VfL Bochum – plus Nachspielzeit – zurück.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 1.: Samstag, 13.00 Uhr. Auftritt der Heimmannschaft. Im schwarzen Ausweichtrikot. Das himmelblaue Heim-Trikot? Eingemottet. Der Grund? Nur zwei Heimsiege aus 14 Spielen. „Wir sind alle abergläubisch“, lächelte Co-Trainer Collin Benjamin. „Klar überlegt man sich da was.“ In diesem Fall: Zeugwart Wolfi Fendt. Als psychologische Hilfe. Anderes Trikot, anderes Gefühl – anderes Ergebnis.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 2.: Bis zu den drei Punkten – ein langer Weg. Die erste Halbzeit: schwach. Ganz schwach. Keine Gegenwehr. Kein Mut. Kein Männerfußball. Bochum sagt Danke. Gregoritsch nach 16 Minuten zum 0:1. Löwen-Coach Torsten Fröhling: „Da gehen einem schon viele Sachen durch den Kopf.“ Definitiv nichts Gutes.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 3.: Nach dem Seitenwechsel die Überraschung. 1860 lebt. 1860 kämpft. 1860 spielt. „Moral, Glaube, Mut, Wille, Fitness“, nannte es Benjamin. „Wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht aufgeben“, sagte Fröhling.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 4.: Fröhling hatte Männer gefordert. Er bekam sie. Allen voran Marius Wolf. Sein großer Auftritt in Minute 56. Ein 50-Meter-Sprint, ein Schuss ins lange Eck, ein Jubel vor der Trainerbank. Mit Vorgeschichte: „Ich habe ihm vor dem Spiel gesagt, er sei kein Spieler von Anfang an“, erklärte Fröhling. „Nach dem Spiel kam Marius zu mir: ‚Trainer, ich kann’s doch!’“
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 5.: Der erste Gratulant bei Wolf: Christopher Schindler. Wie ein Derwisch war der Kapitän an allen vorbei zu Wolf gerannt. Sein Gesicht über die 90 Minuten ein Spiegelbild der Löwen: Verunsicherung, Frust, Wut, Hoffnung, Wille, Aggressivität, Mut, Jubel. Später, nach dem Schlusspfiff, sank er zu Boden und küsste den Rasen. Erleichterung.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 6.: Letzte Szene. Minute 90+2. Nachspielzeit. Flanke von rechts, Kopfball Vallori, und in der Mitte? Hain. Stephan Hain. Oberschenkel, Hüfte, Bauch – egal. Der Ball war drin. 2:1. Ausgerechnet Hain, der 13 Monate verletzt war. Sein erstes Pflichtspiel-Tor für die Löwen. In der Allianz Arena brach die Hölle los.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 7.: Es war die Szene des Tages. Kurt Kowarz, Torwarttrainer, grauer Wolf, Ruhepol, rastet aus. „Eine geile Szene“, fand Benjamin. „Eine echte Liebesszene, wie er Haini abgeknutscht hat.“ Liebe in der Allianz Arena. Dass es das noch gibt.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 8.: Die Löwen verwandeln erstmals seit März 2014 einen Rückstand in einen Sieg. Und das in der 92. Minute, in der die Löwen virtuell auf einem Abstiegsplatz lagen. Aalen hatte gewonnen, Pauli auch. Am Sonntag würde auch Aue noch gewinnen. Die ganze Wichtigkeit des Sieges wurde Sonntag für alle deutlich.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 9.: Noch einmal Rückblende auf Samstag, circa 15.05 Uhr, die Kabine der Löwen. Die Tür geht auf, Rubin Okotie kommt herein. „Er rief: ‚Ja seid’s ihr deppert?“, berichtete Benjamin. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Löwen-Wahnsinn – Klappe, die 10.: Fröhling hatte genug. Er konnte nicht mehr. „Mir sind einige Steine vom Herzen gefallen.“ Der Trainer entschied sich spontan, noch am Abend zur Familie nach Hamburg zu fahren. Zwei Tage Ruhe. Benjamin übernahm das Auslaufen, gab Montag frei. Dienstag geht der Wahnsinn weiter.
Im Löwen-Spielfilm ist das Ende zwar weiter offen. Benjamin hofft auf ein „Happy End“. Die letzte Klappe fällt am 24. Mai. Dann wissen wir, ob der Spielfilm als Drama im Abstieg endet, als Thriller in die Relegation geht oder ob sich die Liebenden am Ende doch noch herzend in den Armen liegen.
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