Ismaiks Bömbchen - ein Rohrkrepierer?
München - Kurz nach 11 Uhr flog die angekündigte „Bombe“ dann ein in die Grünwalder Straße. Hasan Ismaiks Anwalt Michael Scheele hatte diese Wortwahl in der Vornacht benutzt, um den Brief anzukündigen, mit dem er die Löwen über die „schwerwiegenden Konsequenzen“ unterrichten wollte, die er und der Investor sich überlegt haben. Doch die rund fünf Stunden später verfasste Antwort der Löwen ließ Ismaiks Bombe zu einem Rohrkrepierer verkommen. Sie ließen Ismaik mit seinen Forderungen einfach auflaufen.
Das im Auftrag Ismaiks verfasste Schriftstück liest sich zunächst spektakulär: Der Investor kündigt mit sofortiger Wirkung seine Darlehensverträge und fordert von den Löwen 9,35 Millionen Euro zurück. Zahlbar, nebst Zinsen, bis zum 25. Mai. Außerdem solle sich Geschäftsführer Robert Schäfer quasi selbst ablösen, und zwar bis Mittwoch!
Sollten die Löwen auf die Forderungen eingehen, also einen „geeigneten“ Geschäftsführer installieren und beweisen, dass Ismaiks Vermögensverhältnisse sich nicht verschlechtern würden, wäre der Investor wieder gesprächsbereit. Auf diese Forderung, die landläufig als Erpressungsversuch bezeichnet wird, ließen die Löwen sich aber nicht ein. In einer gemeinsamen Stellungnahme von Geschäftsführung und Verein bedauerte man die „jüngste Entwicklung“ und stellte klar: „Die Darlehensverträge von Hasan Ismaik sind und bleiben gültig. Das Fälligstellen der Darlehen im Rahmen einer ordentlichen Kündigung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Gründe für eine außerordentliche Kündigung liegen nicht ansatzweise vor.“
Sprich: Schäfer tritt nicht zurück, Ismaiks Kündigung wird als gegenstandslos betrachtet und schlicht: ignoriert. Was Ismaik den Löwen vorwirft, wie 1860 reagiert:
Wie begründet Ismaik die Darlehenskündigung? Scheele beruft sich auf Paragraph 490 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser sieht ein außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers vor, wenn „eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens gefährdet wird“. Tatsächlich finden sich in Scheeles Brief der Begriff „fundamentales Missmanagement“. Außerdem sei eine „nachhaltige Sanierung“ nicht gelungen.Durch das „Verhalten der letzten Wochen“ gäbe es „Anlass zu der Befürchtung, dass sich die Vermögensverhältnisse bei der KG wesentlich verschlechtern.“ Ein recht perfider Vorwurf, tritt doch eine solche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse vor allem ein, wenn Ismaik alle weiteren Zahlungen einstellt. Die Löwen setzen dem dann auch entgegen, dass die Darlehen nachrangig seien, und „selbst im Fall einer Kündigung Zinszahlung und Rückzahlung nur erfolgen“ müssten, „wenn die Gesellschaft Bilanzgewinne“ ausweise. Die KGaA hätte die „Vorgaben für die wirtschaftliche Konsolidierung erreicht“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Was wirft Ismaik Schäfer vor? Er hat gegen seinen Willen die Verträge mit Sportchef Florian Hinterberger und Trainer Alexander Schmidt verlängert. Dies war allerdings sein gutes Recht. Laut den DFL-Statuten hat der Investor sogar keinerlei Mitspracherecht bei Personalentscheidungen. Darauf verweisen auch die Löwen in ihrer Mitteilung. Die Personalentscheidungen seien zudem „auch nach den Bestimmungen des Kooperationsvertrages ordnungsgemäß getroffen worden“.
Was passiert jetzt? Dass Ismaik und die Löwen sich mit der derzeitigen Führung nochmal zusammenraufen, scheint spätestens jetzt unmöglich. Ismaik könnte nun versuchen, seine Forderungen durch einen Gerichtsvollzieher einzutreiben. Dagegen könnte sich 1860 juristisch zur Wehr setzen. Rückzahlen kann der Klub die Darlehen derzeit sowieso nicht, will man nicht insolvent gehen. Es könnte auf einen jahrelangen Rechtsstreit hinauslaufen. Doch Schäfer wirklich Missmanagement nachzuweisen, scheint schwer. Der Klub hat unter ihm signifikant Schulden abgebaut. Von 11,5 Millionen in der Saison 2010/2011 sanken diese auf 4,5 Millionen 2011/2012. Für 2014 war eine schwarze Null avisiert - allerdings unter der Voraussetzung, dass Ismaik weiter seinen Pflichten nachkomme. Offen ist, wie die DFL auf ein Verfahren reagieren würde. Theoretisch könnte sie die Bildung von Rücklagen in Höhe des Streitwerts verlangen. Doch auch dann wären die Löwen pleite.
Wie steht Ismaik zu Erich Meidert und Monatzeder? Meidert, der Hep Monatzeder als Präsident ablösen möchte, besuchte Ismaik am Sonntag und Montag. Ismaik bedankte sich bei diesem und lobte dessen Konzept der „Jugendförderung“. Eine Wahlempfehlung für Meidert wollte Ismaik allerdings ausdrücklich nicht aussprechen. Wohl auch, weil er dies gar nicht darf. Doch dass Ismaik sich am Donnerstag bei der Delegiertenversammlung eine Bestätigung Monatzeders wünschen würde, kann ausgeschlossen werden.