Ismaik zu Cassalette: "Wer ist Ewald Lienen?"
München, Hamburg - Ewald Lienen hat schon viel erlebt in seiner Karriere. Süße Erfolge wie seine Auszeichnung zu Griechenlands Trainer des Jahres 2007, bittere Enttäuschungen wie der Abstieg mit Arminia Bielefeld 2011/12. Momentan erlebt der 62-Jährige mit dem FC St. Pauli nach einem starken vierten Platz im Vorjahr einen miesen Auftakt: Nur fünf Punkte aus sechs Spielen, Tabellen-14. Wer den Hamburg-Coach kennt, der weiß: Unter solchen Misserfolgen kann die Lienen-Laune schon mal gehörig leiden.
Am Donnerstagabend wollte der Trainer-Routinier nun gegen den TSV 1860 am heimischen Millerntor den ersehnten Befreiungsschlag landen – doch nix da: Trotz doppelter Führung reichte es nur zu einem 2:2. Und Lienen? Der redete sich hinterher in Rage. Angestachelt vom Tribünenverweis seines Torwart-Trainers Mathias Hain und dem umstrittenen Elfmeter zugunsten der Löwen stänkerte Lienen am Sky-Mikrofon: „Wir haben in dieser Saison nicht viel Glück mit den Schiedsrichtern. Der Elfmeter gegen uns war sehr zweifelhaft, das war eine krasse Fehlentscheidung.“
Lienen redet sich in Rage
Dabei machte es sich der Coach zu einfach, denn der Zweikampf zwischen Karim Matmour und Paulis Bernd Nehrig war eine äußerst knifflige Situation. Egal, denn Lienen, der selbst zwischen 2009 und 2010 bei den Giesingern beschäftigt war, echauffierte sich nur noch weiter und pestete plötzlich gegen das Gesamtkonstrukt 1860: Ich weiß nicht, wo die das Geld herholen? Alle reden über RB Leipzig. Aber was bei 1860 passiert, ist für mich viel schlimmer als bei RB Leipzig.“ Die Löwen schlimmer als der Brause-Klub?
Lienen legte sich das so zurecht: „Da wird irgendeine Schatulle geöffnet und schnell mal drei Millionen Euro für Stefan Aigner auf den Tisch gelegt. Welcher Zweitligist kann sich das leisten? Das ist der falsche Weg. Da hängt man an einem Tropf eines Investors“, schimpft er über die Abhängigkeit von Hasan Ismaik, „wenn der keine Lust mehr hat, dann bricht das Kartenhäuschen zusammen. Das hat mit kontinuierlicher Entwicklung nichts mehr zu tun.“ Harte Worte gegen die Löwen und ihren Geldgeber.
Cassalette: "Ismaik hat nur darüber gelacht"
Während es Trainer-Kollege Kosta Runjaic nicht kommentieren wollte („Er hat seine Meinung geäußert, die lassen wir einfach mal so stehen.“), konterte der Präsident. „Das, was Lienen da gesagt hat, ist völlig unprofessionell und realitätsfremd“, sagte Peter Cassalette auf AZ-Nachfrage, „wir sind ja nicht mehr in den Siebzigern.“ Was er meint: Jeder Klub brauche heutzutage Sponsoren, Investoren oder Gönner, um im Profifußball mithalten zu können.
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Cassalette sei zwar ein Sympathisant des Kiez-Klubs und, als er sechs Jahre lang in Hamburg gelebt hatte, mehrfach am Millerntor gewesen. Diese Aussage wollte er als Geschäftspartner und Freund des 1860-Investors nicht stehenlassen. Auf dessen Einladung war er im ismaikschen Privatjet ans Millerntor gereist, habe auf dem Rückweg von der Wutrede erfahren und es dem Milliardär direkt erzählt. „Hasan hat mich erstmal gefragt: Wer ist Lienen überhaupt?“ Nach Cassalettes Aufklärung habe Ismaik „nur darüber gelacht. Das hat ihn kalt gelassen.“
Hannover-Boss Kind über Lienen: "Der Trainer sollte lieber das Spiel analysieren"
Ein anderer Vereinsgönner weist Lienen dagegen in die Schranken: Hannovers millionenschwerer Klubchef Martin Kind, erklärter Gegner der 50+1-Regel und mit den 96ern nächster 60-Gegner (siehe unten). „Ich habe wenig Verständnis dafür, weil Lienen den Markt kennt: Wir kennen doch alle die Regeln der Bundesliga, DFB und DFL haben die Ausgliederung der Profiklubs in Wirtschaftsunternehmen ermöglicht und viele Vereine das auch vollzogen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit doch zwangsläufig, dass sich Investoren engagieren. Das ist zu akzeptieren – Ende!“
Und auch bei Lienens Kartenhaus-Theorie gibt Kind Nachhilfe: „So viel Geld zu investieren und dann auszusteigen, würde kein vernünftiger Mensch machen. Damit wäre ja sein Kapital vernichtet“, so der 72-Jährige. Kinds Abfuhr an Lienen: „Der Trainer sollte lieber das Spiel analysieren und die anderen Fragen den Leuten überlassen, die es zu vertreten haben.“ Vielleicht läuft es auch am Kiez bald wieder besser, wenn „Zettel-Ewald“ seinen Fokus, wie Kind vorschlägt, ganz auf seinen eigentlichen Zuständigkeitsbereich legt. Seiner Laune wäre es sicher zuträglich.