Ismaik spricht: Heile Welt und freche Lügen

Politik wird beim TSV 1860 seit jeher betrieben. Dieser Tage kommt noch jordanische Wahlpropaganda hinzu. Investor Hasan Ismaik hat sich gestern inmitten des Machtkampfes der beiden Gesellschafter in einem Interview mit dem Ismaik-freundlichen Fan-Portal dieblaue24 geäußert. Um seine Sicht der Dinge darzulegen. Und um im Ringen um die Gunst der Anhänger auf der nach wie vor noch nicht neu terminierten Mitgliederversammlung Pluspunkte zu sammeln.
"Der Verein strebt eine Insolvenz an, um mich loszubekommen. Damit will man die Fans für sich gewinnen – aber solange ich bei 1860 bin, wird es keine Insolvenz geben", sagt Ismaik. Der Finanzier versucht, seinen Standpunkt teils mit bereits kommunizierten Vorwürfen, teils neuen Erkenntnissen zu untermauern. Während die e.V.-Vertreter – denen Ismaik den Bruch gegen das abgeleistete Schweigegelübde vorwirft, um nun selbst dagegen zu verstoßen – darüber schweigen, zeigt die AZ, wie Ismaik die Anhänger und auf seine Seite ziehen will – und erklärt, wo sich der Jordanier dabei in zweifelhafte Aussagen verstrickt.
Kritik am e.V.
"Es wird mir ja unterstellt, dass ich die Regionalliga von langer Hand geplant und auch kein Geld mehr zur Verfügung hätte", sagt Ismaik und erklärt: "Das ist eine freche Lüge!" Vielmehr habe er "an diesem traurigen Freitag bis zuletzt versucht, über einen Sponsorenvertrag das Geld zu bezahlen. Die Leute im e.V. sind aber an ihren Stühlen geklebt, weil sie sich im Grünwalder Stadion bald feiern lassen wollen."
Was Ismaik dabei wohl vergisst: An besagtem Freitag hatte er in einem Schriftverkehr mit der "Süddeutschen" den Niedergang angekündigt – und kurz nach abgelaufener Frist eine vorbereitete, umfassende Stellungnahme verschickt. Vorgänge, die seine Aussagen fragwürdig erscheinen lassen.
Vorwürfe an Geschäftsführer Fauser
Wie Ismaik erklärt, habe Markus Fausers Agentur "anchor" mit 1860 im Januar 2016 ohne Wissen Ismaiks einen Vertrag unterschrieben – "für eine insolvenzrechtliche Beratung", wie er zitiert wird. Wie die AZ erfuhr, scheint Ismaik in der Angst um seine Anteile einem Irrglauben aufzusitzen: Ex-Geschäftsführer Markus Rejek ließ sich zwar durchaus bei Fausers Unternehmen dahingehend beraten, wie schon sein Vorgänger Robert Schäfer. Der einfache Grund: Da Ismaik mehrfach erst auf den letzten Drücker seine Darlehen in Genuss-Scheine umwandeln ließ, oblag es ihrer Pflicht, sich mit den Konsequenzen ausbleibender Überweisungen auseinanderzusetzen, um sich nicht strafbar zu machen.
Ismaik wirft Fauser zudem Erpressung mit Kalkül vor: "Entweder machen wir das so – oder wir gehen in die Insolvenz beziehungsweise holen andere Geldgeber." Fauser wollte sich nicht dazu äußern.
Bilder: Löwen schwitzen vor dem ersten Testspiel
Trainerfragen um Daniel Bierofka und Vitor Pereira
Wie der Jordanier zu Protokoll gab, habe er mit Trainer Vitor Pereira nach dem (sportlichen) Niedergang Wiederaufstiegspläne gefasst: "Pereira wollte diesen Betriebsunfall reparieren, weil er sich schämt für diesen Abstieg." Das darf bezweifelt werden, da sich Pereira nach dem Relegationsrückspiel gegen Regensburg (0:2) bereits verabschiedete – und hinterher gegen seine Spieler lederte: ("Der Kader von 1860 hatte nichts von dem, was ich mag").
Gleichzeitig bezeichnete Ismaik Daniel Bierofka als "Wunschkandidat". Dieser hatte tags zuvor bereits erklärt, dass er keine Schulterklopfer brauche, sondern Lösungen.
Die Zukunft der Löwen
Umso richtiger liegt Ismaik bei seiner Einschätzung, dass "Stand jetzt die meisten Spieler keine gültigen Verträge ab 1. Juli" haben. Nach AZ-Informationen betrifft dies die Routiniers Jan Mauersberger und Timo Gebhart, Leistungsträger und Kapitän Felix Weber und Talente wie Moritz Heinrich und Nicholas Helmbrecht – elf Akteure aus U19 und U21 würden übrig bleiben.
Damit Klarheit herrscht, muss endlich die Finanzlücke geschlossen werden. Ismaiks Vorwurf an die Vereinsvertreter: "Nach außen wird bei 1860 heile Welt gelebt, im inneren Zirkel geht es aber anders zu. Es ist seit Jahren ein Hauen und Stechen. 1860 ist ein Verein im Verein. Nach außen macht man auf arrogant – nach dem Motto: 'Jetzt zeigen wir's dem Araber aber' – aber hinter verschlossenen Türen soll ich 5,4 Millionen Euro bezahlen."
Klingt ebenso wenig nach gesteigerter Zahlungsbereitschaft wie er zuvor eine Insolvenz von sich wies. Und neue Investoren? Die begrüße er "ausdrücklich": "Das wäre großartig."
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