„In 1860 verliebt“

Hier zieht Sportdirektor Miki Stevic die Bilanz seines ersten Jahres – und erklärt auch, warum er noch was gut hat beim Trainer, der auf der Kippe stand: „Lienen wird das zurückzahlen“
von  Abendzeitung
Ihre Wege trennen sich: Löwen-Trainer Ewald Lienen und Sportdirektor Miki Stevic.
Ihre Wege trennen sich: Löwen-Trainer Ewald Lienen und Sportdirektor Miki Stevic. © Rauchensteiner/Augenklick

Hier zieht Sportdirektor Miki Stevic die Bilanz seines ersten Jahres – und erklärt auch, warum er noch was gut hat beim Trainer, der auf der Kippe stand: „Lienen wird das zurückzahlen“

AZ: Die Löwen im Mittelmaß: Platz 12 nach der Vorrunde – genauso unbefriedigend wie im Vorjahr. Herr Stevic, kann der 1860-Sportdirektor ein frohe Weihnachten feiern?

MIKI STEVIC: Naja. Wenn man den Tabellenplatz und die 22 Punkte betrachtet, dann sind wir hinter den Erwartungen geblieben – ganz klar. Da lügen wir uns nicht an.

Aber?

Was ich in den letzten fünf Spielen beobachtet habe: Die Mannschaft hat sich gefunden. Sie musste einfach zusammenwachsen. Dieser Prozess ist jetzt schon sehr weit. Das beste Beispiel ist doch Charilaos Pappas. Der wurde von vielen schon abgeschrieben – und plötzlich findet er sich bei 1860 immer besser zurecht.

Aber ob’s noch zum Aufstieg reicht? Bei acht Punkten Rückstand auf Platz 3?

Das Ziel von 1860 ist immer oben mitzuspielen – und ich behaupte: In dieser Liga ist alles möglich, auch für 1860. Mit einer kleinen Serie ist noch alles möglich, zumal Leute wie Alex Ludwig, Stefan Aigner, Sascha Rösler zum Ende hin immer besser geworden sind. Und: Wir werden noch mehr auf Disziplin achten, solche Vorfälle wie bei Mate Ghvinianidze werden wir nicht mehr dulden.

Was hat sich unter Ihnen verbessert bei 1860?

Verbessert? Wenn man die Tabelle ansieht, sicherlich nichts. Aber anfangs konnte ich auch nicht so arbeiten wie ich vielleicht gewollt hätte. Ich hatte viele Gegner. Neue Ideen haben immer alte Gegner. Das hat sehr viel Substanz gekostet – und da gab’s Phasen, da habe ich gesehen, wie der Stress Spuren in meinem Gesicht hinterlassen hat. Das war keine leichte Zeit.

Und jetzt?

Mir macht 1860 sehr viel Spaß, aber wir haben erst den halben Weg zurückgelegt. Ich kann auf einen frisch verlegten Rasen nicht drauftrampeln, wenn er noch nicht verwachsen ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir im Sommer einen großen Umbruch hatten. Das braucht seine Zeit.

Zeit, die 1860 nie hat.

Genau das ist der Denkfehler. Ich finde, dass wir eine Mannschaft mit Perspektive haben, einen guten Draht zu den Fans, eine funktionierende Führungsetage und mit Ignjovski, Mlapa, Kaiser, Camdal und Schäffler Top-Talente, um die uns viele beneiden.

Im Sommer haben Sie mit den Bender-Zwillingen und Fabian Johnson die besten Nachwuchsspieler verkauft.

Ein Verein wie 1860 kann nur überleben, wenn er Spieler verkauft. Ich habe das nicht aus Mode gemacht, sondern aus der Not heraus. Am liebsten hätte ich alle behalten, aber wir standen vor der Wahl: Entweder verkaufen – oder wir müssen irgendwann zum Konkursrichter. Mein Ansporn ist, immer wieder neue Talente auszugraben.

Möglicherweise holen Sie in der Winterpause Eke Uzoma auf Leihbasis vom SC Freiburg, ein 20-jähriges Juwel.

Der Spieler hat signalisiert, dass er zu uns will – das ist schon mal ein Vertrauensvorschuss. Aber es wollen ihn auch noch andere Klubs. Ich halte Uzoma für ein sehr großes Talent, der in Liga 2 schon gezeigt hat, was er kann.

Zuvor soll der Kader noch verkleinert werden: Mathieu Beda, Antonio di Salvo, Florian Jungwirth und auch Benny Schwarz sind Kandidaten für einen Verkauf.

Wir wissen, dass wir den ein oder anderen Spieler im Winter abgeben müssen, aber das ist nicht so einfach. Mit Ewald Lienen habe ich bereits besprochen, dass Spieler, die keine Rolle mehr spielen, ab sofort nicht mehr im Trainingsbetrieb berücksichtigt werden.

Ex-Löwentrainer Marco Kurz ist mit Kaiserslautern auf dem Weg in die Bundesliga kaum zu stoppen. Haben Sie ihn verkannt?

Nein, natürlich nicht. Ich schätze Marco Kurz, aber er war nicht mehr zu halten – und ich sage ganz deutlich: Ich habe Kurz sogar das Leben bei 1860 verlängert, der Verein wollte ihn vor meiner Einstellung entlassen. Die Ergebnisse waren so erdrückend, dass wir reagieren mussten. Es ist ja nicht so, dass Kurz keine Zeit bei 1860 hatte.

Auch Ewald Lienen stand bei 1860 zur Disposition.

Wenn wir weiter nicht gewonnen hätten, hätten wir auch bei Ewald ein Problem bekommen können. Das wusste er. Aber ich bin froh, dass der Verein Ruhe bewahrt hat – und mal gegen das Gesetz gehandelt hat. Lienen wird das zurückzahlen, das weiß ich: Ewald hat sich in 1860 verliebt. Interview: Oliver Griss

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