„Ich wollte niemandem begegnen“
1860-Torwart Gabor Kiraly erzählt, wie er vor sechs Jahren bei Hertha BSC Berlin in eine Krise geriet – und wie eine Legende ihm half.
MÜNCHEN Als 1860-Torwart Gabor Kiraly seine Geschichte erzählt hat, fragt er die Reporter: „Was ist das jetzt? Ist das Depression?“ Kopfschütteln in der Runde. Es ist wohl eher kurze Krise, eine schlechte Phase gewesen beim Keeper.
Am Sonntagabend war Kiraly bei „Spiegel TV“ zu sehen. Die Sendung drehte sich um den Tod von Robert Enke. Das Thema: „Wenn die Leere alles ausfüllt – Tabukrankheit Depression“. Kiraly erzählt darin von diesen kritischen Tagen, damals im Dezember 2003. Allein: Das Wort Depression benutzt er nicht, wohl zurecht.
Letzter Hinrundenspieltag 2003: Mit Hertha unterlag Kiraly damals in Köln 0:3. Am Morgen danach war nichts mehr, wie es war: „Ich konnte und wollte einfach nicht aufstehen. Und ich wollte niemandem begegnen, aus Angst ihn zu beleidigen. Ich habe mich geschämt, wollte die Leute nicht enttäuschen.“
Am Tag darauf stand in Budapest ein Treffen mit ungarischen Nationalspielern an, und nur dank der Überredungskunst seiner Ehefrau raffte er sich auf und fuhr hin. Er traf Gyula Grosics, den legendären WM-Torhüter von 1954, erzählte ihm von seiner Situation. Eine gute Idee.
„Torhüter denken anders“, sagt Kiraly, „sie müssen stets am meisten Verantwortung übernehmen. Ich habe immer versucht, meiner Mannschaft zu helfen und dabei die Kontrolle über meine Torwartaufgaben verloren.“ Grosics selbst habe wegen des zweiten Tors der Deutschen im Finale von Bern lange mit sich gehadert. Zu Kiraly sagte er: „Du musst alles ausschalten, dich nur auf dich konzentrieren.“
Das habe ihm geholfen, sagte Kiraly. Er sei weder zum Arzt noch habe er Pillen geschluckt, und doch habe sich die Krise bald verzogen. Ein paar Monate später erzählte er Reportern von seiner Kurz-Krise.
Hilfe im Verein zu finden, sei schwer. Er habe stets den Austausch mit Torwartkollegen und -trainern gesucht. In 15 Profijahren habe er gelernt: „Du musst hingehen, wenn du merkst, dass bei einem Spieler etwas nicht stimmt.“ Er sieht es wie Theo Zwanziger: „Er sagt: Fußball ist nicht alles - das ist so.“ Sein fünfjähriger Sohn habe das schon verstanden: „Als Matjas als Torwart zuletzt 14 Buden kassiert hat, sagte er: Macht nix. Nächstes Mal gewinnen wir.“
Thomas Becker