„Haben die keine Ehre?“

„Wie 1860 momentan auftritt, ist stark vereinsschädigend", so Fredi Heis. Der Meisterlöwe rechnet mit 1860 ab. Er verschont nur Bierofka und Kurz.
AZ: 1860 spielt in Paderborn, beim Tabellenletzten. Womöglich setzt sich der Absturz der Löwen fort. Sie sind die schlechteste Zweitliga-Mannschaft 2008. Herr Heiß, haben Sie so einen Einbruch je erlebt?
FREDI HEISS: Nein, wirklich nicht. Ich frage mich: Haben die eigentlich keine Ehre? Ich finde es unglaublich, wie sich einige bei 1860 hängen lassen. Die schlafen. Da sind einige drin, die können gar nicht schwitzen. Selbst auf der Wiese im Englischen Garten ist eine größere Leidenschaft zu erkennen als bei 1860. Was sind das für Fußballer? Das ist doch nur noch Schweinsgalopp – und das anderthalb Stunden lang. Da versteckt sich jeder nur, keiner hilft dem anderen. Und das vor 30000 Zuschauern in der Allianz Arena. Das muss man sich mal vorstellen. Was ich gegen Freiburg (0:3, d. Red.) gesehen habe, das war blamabel.
In der Vorrunde wurde die Mannschaft von Geschäftsführer Stefan Ziffzer noch „als geiler Kader“ bezeichnet.
Die Löwen haben uns allen im zweiten Halbjahr 2007 sehr viel Freude bereitet, da hat sich keiner hängen lassen, das Miteinander stand im Vordergrund. Und jetzt? Das ist mir ein Rätsel. Wie 1860 momentan auftritt, ist stark vereinsschädigend. Ich bin in großer Sorge.
Auch Manager Stefan Reuter schlägt nun härtere Töne an. Nach der Pleite gegen Freiburg schimpfte er, das sei wie beim Freundschaftsspiel gewesen.
Das ist der richtige Weg. Reuter muss jetzt dazwischenhauen, er muss seinen Spielern verdeutlichen, dass man in den letzten drei Spielen den Fans noch etwas bieten muss. Jeder muss sich doch auch anbieten für die nächste Saison und sportlich qualifizieren, dass sie auch das Recht haben, bei uns spielen zu dürfen. Und was tun die? Die ruhen sich auf ihren Verträgen bei 1860 aus.
Sie meinen: alle?
Nein. Ein Daniel Bierofka etwa, der tut mir leid. Der müht sich ab, plagt sich. Der rennt sich die Lunge aus dem Leib, vor ihm habe ich Respekt. Aber ein Bierofka ist für 1860 leider zu wenig.
Bierofka leidet spürbar unter den Niederlagen.
Wenn wir früher unter Max Merkel mal verloren haben, dann haben wir uns geschämt vor unseren Fans. Wenn man Löwe und vielleicht auch noch Münchner wie Bierofka ist, dann fühlt man sich verantwortlich und verbunden, dem Verein und den Fans. Dieses Gefühl spüre ich heute nicht mehr, das macht mich traurig.
Der Trainer macht einen ratlosen Eindruck: Sind Sie von Marco Kurz noch überzeugt?
Ja, absolut. Kurz hat eine sehr gute Art, er ist einer von der modernen Trainergilde, der durchaus etwas erreichen kann. Aber ich muss echt zweifeln, ob er das mit dieser Truppe überhaupt schaffen kann. So wie sich die Mannschaft anbietet, hast du es als Trainer schwer.
Als Verstärkung will Reuter in der Sommerpause offenbar den bald 36-jährigen Christian Wörns aus Dortmund holen.
Wenn ich glaube, dass ich mit so einem Mann mehr Stabilität reinbringe und er bezahlbar ist, warum nicht? Reuter wird das schon wissen, ob Wörns noch was taugt. Er war ja als Fußballer kein Blinder.
Bis auf Bierofka hat kaum ein Neuer, den Reuter geholt hat, voll eingeschlagen
Ich erwarte mir da auch mehr, Reuter muss auch ohne Geld bei 1860 gute Spieler bekommen. Ich erwarte von Stefan auch, dass der Verein nach vorne kommt. Wenn man sich ein bisschen konsolidiert hat, muss man auch was riskieren. Ich würde mir wünschen, dass 1860 versucht, Benny Lauth aus Hannover heimzuholen. Für mich ist er nach wie vor ein guter Fußballer. Da sollte man nichts unversucht lassen.
Interview: Oliver Griss