Grünwalder Stadion: Gift im Bauschutt?

Die Osttribüne des Sechzger Stadions hat sich in einen riesigen Schuttberg verwandelt. Unter dem Gestein werden giftige Substanzen vermutet.
von  Marco Plein

München - Für die Bauarbeiter an der Grünwalder Straße ist es ein ständiges Auf und Ab. Rauf ins Führerhaus des Baggers und gleich wieder runter. Denn seitdem zwei riesige Löcher in die Osttribüne des alten Stadions gehauen wurden, stapfen alle paar Minuten Schaulustige von der Grünwalder Straße auf die Baustelle – die Bauarbeiter müssen sich als Wachmänner betätigen, darum klagte einer am Montagmorgen: „So kommen wir kaum voran. Die Leute lieben dieses Stadion. Sie fürchten, wir machen was kaputt. Aber so ist das nicht.“

Seit fast zwei Monaten wird schon am städtischen Stadion gewerkelt, „bei vielen ist Wehmut und Angst dabei, dass etwas zerstört wird, was man nie wieder bekommt“, sagt auch Roman Beer, der Vorsitzende der „Freunde des Sechz'ger Stadions“, „man hat das Stadion lieb gewonnen, so wie es ist. Aber jetzt muss es mit der Zeit gehen, wir reden ja nicht vom Kolosseum in Rom.“ Sondern vom Giesinger Kolosseum.

101 Jahre alt ist das Sechzger mittlerweile, der letzte größere Umbau fand vor 33 Jahren statt. Beer: „Nach einem Dritteljahrhundert muss man die Bagger jetzt einfach akzeptieren.“ 1860-Kapitän Benny Lauth, der in seiner Jugend oft im Stadion spielte und heute täglich auf dem Weg zum Training an der Baustelle vorbeifährt, meint: „Ich war hier als kleines Kind Balljunge. Das ist ein emotionaler Ort für mich. Ich hoffe, dass es schön hergerichtet wird.“

Zumindest soll es fit für die Zukunft gemacht werden. 10,2 Millionen Millionen Euro investiert die Stadt in das Sechzger. Derzeit wird die Osttribüne abgerissen, an deren Stelle später eine Stehplatztribüne – samt Stadionkneipe – stehen soll. Nach Saisonende ist die Haupttribüne dran, die im Innenraum komplett umgebaut wird. An der Fassade ändert sich nichts. Nächste Saison ziehen die Bayern nach Heimstetten um, die Löwen nach Ismaning, bis Mai aber spielen sie noch auf der Baustelle an der Grünwalder Straße.

Eine Baustelle, die gerade eher einem Schuttberg gleicht. Weil die abgetragenen Tribünenreste weder auf dem Rasen noch auf der Straße gelagert werden können, türmen sich derzeit hohe Schuttberge rund um die ehemalige Osttribüne. Und unter diesem Schutt werden nun giftige Substanzen vermutet. Wurde im Grünwalder Stadion etwa jahrelang vor vergifteten Tribünen gespielt? „Es werden Materialproben entnommen. Danach wird man schauen, was passiert“, bestätigt Baureferatssprecherin Cornelia Unterhuber der AZ. Dies sei aber „nicht außergewöhnlich bei älteren Bauwerken.“

Mögliche Verunreinigungen könnten durch jahrelanges Besprühen der Stehränge mit chemischen Unkrautvernichtungsmitteln zustande gekommen sein. Sollte sich die Vergiftung bestätigen, müssten die Substanzen auf spezielle Deponien angeliefert werden –ähnlich verfährt man mit dem Gestein und Kies unter Bahngleisen, auf die bundesweit jährlich rund 80 Tonnen Unkrautgift geschüttet werden. Der Umbau würde dann teurer werden, doch umgebaut wird auf jeden Fall. Und das sei trotz aller Befürchtungen positiv, meint Beer. „Die Resonanz ist insgesamt positiv. Und die Neugierde auch.“ Beer spricht aus eigener Erfahrung – auch er wurde beim erhofften Blick auf die Baustelle schon mal von den Bauarbeitern verjagt.

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