Geht doch, Sechzig! Warum nicht immer so?

München - Der Satz des Tages gehört dem Besten des Abends: „Wenn wir so auftreten wie heute, dann sind wir gar nicht mal so schlecht!" Wir. Nicht ich. Moritz Stoppelkamp steht im Bauch der Allianz Arena, unten in den Katakomben, er fährt sich mit einer Hand durch das Haar, die andere hat er zwischen kurzer Hose und sein Becken geschoben. Stoppelkamp wirkt fast ein wenig selbst erstaunt über das, was er und die anderen Löwen da eben geleistet haben.
Zum ersten Mal in dieser Saison haben sie ein wirklich gutes Spiel abgeliefert, zum ersten Mal haben sie so gespielt, wie Trainer Friedhelm Funkel sich das vorstellt. Zum ersten Mal seit dem 29. September 2012 haben sie 4:0 gewonnen. Dieser Sieg gegen Aalen wird vielleicht nicht Wendepunkt einer bis hierhin mühseligen Saison. Dafür sind die Löwen zu weit weg von Gut und Böse. Aber, so hoffen es nicht nur Stoppelkamp und Funkel: Es könnte Signalwirkung haben. Ein Fanal, das 1860 durch die restliche Saison tragen könnte.
„Ich hoffe, dass wir diese Spielweise beibehalten in den nächsten Wochen“, sagt Funkel, „wir haben aggressiv gespielt, haben den Gegner zu Fehlern gezwungen. So stelle ich mir das vor.“ An diesem Abend scheint eine Mannschaft auf dem Platz gestanden zu haben, die keine Angst mehr hatte zu verlieren. Und darum einfach mal gewonnen hat. Geht doch, Sechzig. Sehr gut sogar. Warum nicht immer so?
Angeführt haben die Löwen vor allem Yuya Osako, dem die Reisestrapazen nach seinem Welt-Trip nach Japan und zurück nicht anzumerken waren, die quirlige Hoffenheim-Leihgabe Andreas Ludwig im offensiven Mittelfeld, der Überall-Spieler Daniel Adlung, der den anderen Offensiven den Rücken freigehalten hat und das von Funkel verordnete Pressing regelrecht zelebrierte, der routiniert aufspielende 18-jährige Mittelfeldmann Julian Weigl und der souveräne und kampfstarke Torschütze Yannick Stark. Alle überstrahlt hat aber Stoppelkamp, der in diesem Spiel seinem Namen auf Twitter wirklich mal gerecht geworden ist und wirklich so gespielt hat, wie man es sich von einem „Stoppelinho" erwartet: Hier ein Hackentrick, da ein Dreher, dort ein Schlenzer.
Und dann: Hier ein Lupfer, dort ein Pass in die Spitze, hier eine Toreinleitung (zu Yannick Starks 1:0), dort eine direkte Torvorlage (zu Yuya Osakos 2:0) und schließlich noch den Treffer zum 4.0. „Ich denke, man hat heute von der ersten Minute an gemerkt, wer das Spiel gewinnen wird", sagt Stoppelkamp mit einem Selbstbewusstsein, das man lange nicht mehr gehört hat von einem Löwen. Dabei haben weder er noch Funkel nicht vergessen, dass Aalen vor dem 1:0 zwei große Chancen zum Führungstreffer gehabt hat, weil die Abwehr der Spielfreude sich sorglos um ihre Kernaufgabe gekümmert hat.
„Aber da war Gabor Kiraly zur Stelle“, sagt Funkel. Klar, zu einer Mannschaft gehört auch ein Torwart, zu einer geschlossen guten Mannschaftsleistung allemal. Funkel weiter: „Man kann nicht alle Aktionen des Gegners unterbinden, wenn man so risikobereit spielt, wie wir es heute getan und wie wir es uns vorher vorgenommen haben.“ Vor dem Spiel schien Funkel unter Druck gestanden zu haben. Die ersten vier Spiele nach der Winterpause nicht gewonnen, die miesen Auftritte der Mannschaft gegen Paderborn und in Sandhausen, dazu der unberechenbare Präsident Gerhard Mayrhofer.
Bei einer Niederlage hätte vieles passieren können mit Funkel an der Grünwalder Straße. Doch wenn eine Mannschaft für einen Trainer spielen kann, dann hat sie es am Freitag getan.Alle zusammen. Dass der Trainer selbst von dieser Debatte nichts hören will, ist auch klar. „Natürlich standen wir heute unter Druck", sagt er. Wir. Nicht ich.