Geht doch, Sechzig!

München - Es lief die 46. Spielminute, als ein roter Luftballon, bedruckt mit dem Logo eines 1860-Sponsors über den Rasen auf die Haupttribüne flog und gen Ehrengastbereich im zweiten Rang schwebte. Auf die Rückseite des Ballons war das Wörtchen „Gut“ gedruckt.
Es mag Zufall sein, und wahrscheinlich hat keiner der Löwen unten auf dem Spielfeld das Ding bemerkt, doch wenige Momente später schickte Yannick Stark Marin Tomasov mit einem klugen Pass in die Spitze, den Schuss setzte der Kroate knapp neben das Tor der Ingolstädter.
Es war die erste Chance des Spiels für 1860, denn gut war bis dahin nichts gewesen an diesem Derby.
Die Löwen hatten sich richtig schwer getan gegen den Tabellenletzten, der die Räume geschickt zugestellt hatte. Dazu war den Löwen aus unerfindlichen Gründen Esprit und jegliche Kreativität abgegangen.
Dass sie nach 90 Minuten dennoch jubelten über den 1:0-Sieg und die Eroberung des sehnsuchtsbehafteten dritten Tabellenplatzes hatten sie – wie zuletzt – einer deutlichen Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte und dem Ingolstädter Roger zu verdanken, der in der 48. Minute eine Flanke Tomasovs unhaltbar für seinen Keeper ins eigene Tor bugsierte.
Der dritte Sieg hintereinander in der Liga, für Trainer Alexander Schmidt übrigens eine Premiere, bringt Anlass zur Hoffnung. Es war zwar wieder ein hartes Stück Arbeit, doch unverdient war der Erfolg nicht. Und t alles in allem auch souverän. Es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass die Löwen in den letzten zehn Zweitligajahren ordentlich in die Spielzeit gestartet sind, doch irgendwas ist anders in diesem herrlichen Münchner Sommer. „Letztes Jahr haben wir solche Spiele nicht gewonnen“, sagte Kapitän Guillermo Vallori. Und dass es mit der Spielkultur noch nicht so wirklich weit her ist? „Das ist mir egal. Glück oder nicht Glück: wir haben die Punkte.“ Die Löwen sind selbstbewusster, geduldiger, glauben mehr an sich.
Sicher, es sind nur Nuancen, in der Körperhaltung, der Kommunikation untereinander, der Art, wie sie sich in der Schlussphase gemeinsam den Bällen entgegen werfen. Doch eben diese Kleinigkeiten machen am Ende ja oft den Unterschied. „Wir haben noch genügend Arbeit“, sagte Trainer Alexander Schmidt, „wir müssen schneller in die Spitze spielen, auch mal das 2:0 machen, damit wir nicht immer bis zum Schluss zittern müssen“.
Doch anders als in der Vorsaison strahlen die Löwen einen unbedingten Siegeswillen aus und agieren leidenschaftlich bis zum Schluss. In Yannick Stark haben sie im zentralen Mittelfeld zudem einen, der wirklich das Spiel an sich reißen kann. Der Neuzugang aus Frankfurt war am Vortag schon mit seinem Vater Jürgen beim 4:2 seines Heimatklubs Darmstadt gegen Haching im Sportpark gewesen. Gestern jubelten die Starks dann über den Sieg der Löwen im Derby.
Da scheint wirklich etwas zusammenzuwachsen bei den Sechzgern durch die knappen, aber leidenschaftlich erkämpften Erfolge. Auch mit den Fans. Waren in der – zugegeben unsäglichen – ersten Halbzeit sogar vereinzelt Pfiffe zu hören gewesen, besangen sie ihre Löwen nach dem Führungstreffer ausgelassen – und laut. „Ich möchte mich vor allem bei unseren Fans bedanken. In der Kurve kriegt man Gänsehaut“, sagte Präsident Gerhard Mayrhofer, „unsere Kurve ist unschlagbar. Das ist mit dem FC Bayern gar nicht zu vergleichen, wir sind wesentlich lauter als die Bayern“.