Funkel wollte nicht mehr: Die Pointe nach dem Löwen-Beben
Friedhelm Funkel, der Noch-Trainer des TSV 1860 stellt klar: Er wollte aufhören. „Es war kein Rauswurf.“ Hintergrund dürften die künftige Transferpolitik gewesen sein – und die Abhängigkeit des Klubs vom guten Willen von Investor Hasan Ismaik.
München - Um Pointen waren sie ja noch nie verlegen bei diesem Klub. Verwundert es also, dass Tag eins nach der Bekanntgabe, dass 1860 und Friedhelm Funkel nach Saisonende getrennte Wege gehen werden, mit einer sogar sehr schönen Pointe aufwartete?
Wenn Fußballklubs von „gemeinsamen Entscheidungen“ schreiben, heißt das meist: Der jeweilige Verantwortliche wurde entlassen. Oder mindestens: Der aktive Part war der Klub.
„Es war meine Entscheidung, hier aufzuhören“, sagte Funkel jedoch am Donnerstag bestimmt, nach der Vormittagseinheit und nachdem er sich im Container, in dem die Löwen nun schon seit 2007 provisorisch ihre Pressekonferenzen abhalten, nervös ein wenig die Zähne gefletscht hatte. „Für mich stand seit geraumer Zeit fest, dass ich aufhöre. Es war kein Rauswurf, wie ich es irgendwo gelesen habe. Ich höre auf, weil wir keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Man hätte mich auch nicht mehr umstimmen können“, sagte er.
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Das überraschte dann in dieser Deutlichkeit doch. Auch die AZ war am Mittwoch davon ausgegangen, dass Funkel Opfer des bei den Löwen ganz normalen, und seit Gerhard Mayrhofers Amtsantritt noch forcierten Personalaustauschtriebs geworden sei. Hatte der Trainer nicht noch am Montag für sich getrommelt? „Ganz klar: Nein! Ich habe keine Eigenwerbung betrieben, ich habe nie gesagt, dass ich bleiben möchte. Ich habe lediglich auf Fragen ehrlich geantwortet“, sagte Funkel, nun schon fast so laut und bestimmt wie sonst wohl nur bei Mannschaftsansprachen. Laut und deutlich und bestimmt, wohlgemerkt. Nicht schreiend.
Nun lässt sich spekulieren, ob die Löwen-Bosse wirklich noch mit ihm weitermachen wollten. Präsident Mayrhofer war für eine Stellungnahme am Donnerstag nicht zu erreichen. Doch fest steht: Funkel nannte für seine Entscheidung die gleichen – etwas nebulösen – Gründe wie tags zuvor der Klub in seiner Mitteilung. Man sei sich nicht einig geworden über das Konzept. „Ich weiß, dass hier Veränderungen vorgenommen werden müssen. Ich wollte Sachen verändern, der Verein will aber andere Sachen ändern. Wir sind unterschiedlicher Auffassungen, also gehen wir auseinander“, sagte er.
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Wo genau die Unterschiede in den Ideen liegen, darüber wollte der Coach nicht sprechen. Doch Funkels Andeutungen ließen nur den Schluss zu: Es ging um das Team, darum, wie viel Geld zur Verfügung stehen würde, um „das Gesicht der Mannschaft zu verändern“. Funkel machte keinen Hehl daraus, dass die jetzige Mannschaft zwar bewiesen habe, dass „sie gut Fußball spielen kann, auch wenn die Ergebnisse noch nicht stimmen“. Aber wohl mehr als nur punktuelle Verstärkungen nötig wären, um nächste Saison endlich, und dann wirklich, in den Aufstiegskampf eingreifen zu können. Schon im Winter hätte er sich zusätzlich zu seinen drei Verpflichtungen ein, zwei Führungsspieler gewünscht. Im Sommer wären es wohl noch mehr gewesen.
Am Ende wird Funkel von den Bossen Planungssicherheit gefordert haben, die ihm die Löwen nicht geben können. Zu ungewiss scheint bei diesem Verein der Baustellen die Perspektive. Der Klub ist vom Wohlwollen von Investor Hasan Ismaik abhängig, der zwar regelmäßig und pünktlich die Finanzlöcher stopft, aber sich einem neuen festgeschriebenen Business-Plan seit den Streitereien mit den alten Verantwortlichen weiter verweigert.
Funkel verdient Respekt für seine Entscheidung. Sie ist konsequent und ehrenhaft. Die allerwenigsten Trainer räumen freiwillig ihren Posten. Vor allem, da das Verhältnis zu Spielern, Trainerteam, Angestellten und auch zu den Klub-Bossen „gut“ war, es ihm in München und bei den Löwen „weiter gefällt und Spaß macht“ und er versicherte: „Ich bereue nichts. 60 München war kein Fehler.“ Dennoch macht er Schluss – und verzichtet auch auf die Möglichkeit einer automatischen Vertragsverlängerung. Sollten die Löwen am Ende Platz 5 erreichen, hätte er gar nicht verhandeln müssen. „Platz 5 können wir immer noch schaffen. Aber meine persönliche Situation steht für mich nicht im Vordergrund“, sagte Funkel.
Dennoch bleibt auch ein bitterer Nachgeschmack: Am Ende lässt Funkel, bei den Spielern wohl der populärste Coach der letzten Jahre, seine Mannschaft eben auch im Stich. Die Mannschaft, der der Noch-Coach zuletzt das Fußballspielen wieder beigebracht hat und deren Gesicht er weiter zum Besseren verändern wollte, hat jetzt gar keinen Ansprechpartner mit Sport-Kompetenz mehr im Verein. Weil die Löwen am Ende eben auch Funkel geschafft haben. Selbst, wenn er in diesem Fall flieht, bevor er gefressen werden kann.