Fredi Heiß, der verhinderte Held von Wembley

"Das war ein Supertor", sagt der Meister-Löwe über seinen aberkannten Treffer 1966 gegen England. Wenig später verpasste er die WM.
von  Matthias Eicher
Länderspiel gegen Italien in Hamburg am 13.3.1965. Friedhelm Konietzka (re.), Hans Küppers (2.v.re.) und Fredi Heiß gegen Tarcisio Burgnich (Italien).
Länderspiel gegen Italien in Hamburg am 13.3.1965. Friedhelm Konietzka (re.), Hans Küppers (2.v.re.) und Fredi Heiß gegen Tarcisio Burgnich (Italien). © Foto: imago

"We call it a Klassiker." Diesen legendären Spruch über den Länderspielvergleich Deutschland gegen England kennt wohl fast jeder Fußball-Fan. Dass der Absender Franz Beckenbauer heißt, dürfte auch vielen Anhängern bekannt sein.

Beinahe wäre ein Löwe zum Held geworden

Die Tatsache, dass der "Kaiser" am 23. Februar 1966 im ruhmreichen Londoner Wembleystadion nebst Granden wie Günter Netzer oder Hans Tilkowski ein Freundschaftsspiel gegen die "Three Lions" bestritt, dürfte dagegen ähnlich unbekannt sein wie das damalige Endergebnis (0:1). Dem Ganzen setzt der Umstand, dass ein Löwe um ein Haar zum Helden avanciert wäre, die Krone auf.

04.03.2021, Fredi Heiß nimmt Abschied von Peter Grosser im Grünwalder Stadion.
04.03.2021, Fredi Heiß nimmt Abschied von Peter Grosser im Grünwalder Stadion. © Foto: imago/Ulrich Wagner

Ein Aufeinandertreffen wenige Monate vor Wembley

Kein halbes Jahr vor der Weltmeisterschaft 1966 in England, dem legendär-umstrittenen Wembley-Tor von Geoff Hurst und der Final-Pleite der Deutschen gegen den Titelträger, traten die beiden Kontrahenten schon einmal gegeneinander an. Damals neben Beckenbauer, Netzer und Co. ebenfalls von Bundestrainer Helmut Schön ins Team berufen: der hochtalentierte Sechzger Alfred "Fredi" Heiß.

"Ich erinnere mich noch sehr gut daran. Leider haben wir knapp verloren", sagt der spätere Meister-Löwe Heiß der AZ über jenes Duell, das vor allem für den damaligen Joker persönlich ganz anders hätte verlaufen können. Um ein Haar wäre Heiß dort nach seiner Einwechslung als Traumtorschütze in die Historie eingegangen.

Fredi resümiert

Der 81-Jährige blickt zurück: "Damals hab' ich ein absolutes Super-Tor geschossen: volley aus 16 Metern, drin!" Der Meisterspieler der Giesinger hätte keinen Grund zur Klage, hätte der beschriebene Treffer damals gezählt. Hat er aber nicht, denn: "Leider hat der blinde Linienrichter das Tor zurückgenommen, weil er gesagt hat, der Ball war vor der Flanke schon im Tor-Aus", stellt Heiß klar: "Das hat kein anderer im Stadion gesehen, nur der will es gesehen haben!" Fredi "der Löwe" Heiß, der verhinderte Held von Wembley.

Ungleich bitterer dürfte für den torgefährlichen Flügelstürmer der Blauen jenes Schicksal gewesen sein, das ihn kurz vor der WM ereilt hatte: Damals, im Sommer 1966, waren die Sechzger unter Schleifer Max Merkel auf dem besten Weg zur ersten Bundesliga-Meisterschaft.

Krach mit dem Trainer und eine folgenschwere Verletzung

In Spielerkreisen war damals bereits gescherzt worden, man werde nicht wegen, sondern trotz Merkel Meister. "Das hat er unter anderem mir unterstellt und mich im vorletzten Spiel gegen Dortmund draußen gelassen", so Heiß über den vorentscheidenden 2:0-Sieg.

Die folgenschwere Konsequenz? "Dann habe ich mir in einem Trainingsspiel, das ich sonst wohl gar nicht gemacht hätte, einen Muskelbündelriss zugezogen. Damit hatte sich die WM erledigt." Wer weiß, ob der achtmalige Auswahlspieler sonst während des Turniers zum Wembley-Helden geworden wäre...

Im Wembley gegen England (v.l.): Günter Netzer, Fredi Heiß, Werner Krämer und Willi Schulz.
Im Wembley gegen England (v.l.): Günter Netzer, Fredi Heiß, Werner Krämer und Willi Schulz. © Foto: imago

Einladung vom DFB

Nun freut sich Heiß jedenfalls auf die nächste Auflage des Klassikers, live in die bei vielen Blauen nicht allzu geliebte Allianz Arena. "Der DFB hat mich eingeladen, freilich schau' ich mir das an", so Heiß über das heutige Nations-League-Duell (20.45 Uhr). Zudem fiebert der Ex-Löwe freilich mit den Seinen: "Bei Sechzig kann man hoffnungsvoll auf die neue Saison blicken."

Unter anderem, weil der TSV 1860 derzeit, zumindest für Drittliga-Verhältnisse, überragend agiert, wie Heiß scherzt: "Sie wollen wohl Transferweltmeister werden." Auch ein Titel.

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