Fortuna-Düsseldorf-Trainer Friedhelm Funkel im Interview über seine Zeit beim TSV 1860 München
Früher stand er an der Seitenlinie in der Allianz Arena, heute coacht er die Fortuna aus Düsseldorf. Die AZ hat mit Friedhelm Funkel über den TSV 1860, Neu-Trainer Vitor Pereira und den Investor Ismaik gesprochen.
AZ: Herr Funkel, mit einem 3:0-Sieg beim Karlsruher SC ging es in die Länderspielpause, jetzt erwarten Sie am Freitag mit dem TSV 1860 das nächste Kellerkind.
FRIEDHELM FUNKEL: Der Sieg war wichtig, um ein gutes Gefühl zu haben. Unsere Konzentration gilt nun den Löwen, die wir natürlich schlagen wollen.
Sie haben zehn Punkte Vorsprung auf Rang 16, 1860 fünf: Trägt das Aufeinandertreffen noch den Titel Abstiegsduell?
Wir sind in einer guten Position, aber schauen immer noch nach unten und wissen, was in einer Englischen Woche passieren kann. Fortuna hat das in der letzten Saison böse erfahren müssen, als wir drei Spiele in Folge verloren – unter anderem 3:2 gegen 1860. Wir sind gewarnt, haben aber keine Angst. Die Löwen haben sich im Winter gut verstärkt und ich bin überzeugt, dass sie es auch schaffen.
Die Sechzger hatten ohnehin nicht damit gerechnet, zum dritten Mal in Folge um den Klassenverbleib zu zittern.
Das passiert immer, wenn man sich unrealistische Ziele steckt. Ich habe nur geschmunzelt, als ich vor der Saison hörte, dass 1860 um den Aufstieg mitspielen will. Prompt steckten sie bald im Abstiegskampf. Nun hat sich durch die Verpflichtung des neuen Trainers einiges geändert.
Was halten Sie von Pereira?
Er ist ein Top-Fachmann, und es zeigt sich, dass er dem Spiel der Sechzger mit schnellen, technisch guten Spielern wieder mehr Struktur verleiht. Es imponiert mir, wie Pereira in einem vom Verein teils selbst verschuldeten schwierigen Umfeld seiner Arbeit nachgeht.
Sie haben das Umfeld als 1860-Trainer zwischen 2013 und 2014 selbst kennengelernt. Wie meinen Sie das?
Ich hatte damals im Vergleich paradiesische Bedingungen. Momentan wird ein Fußballklub in München geführt, der gar nicht hierher passt. Das ist ja kein Zustand mehr bei 1860. Deutschland ist offen und kommunikativ, wir genießen hier Meinungs- und Pressefreiheit. Die Verantwortlichen leben eine Mentalität, die ihren eigenen Vorstellungen entspricht – 98 Prozent der Bevölkerung dürften das anders sehen.
Investor Ismaik hat das Ruder – im Gegensatz zu Ihrer Amtszeit – selbst übernommen.
Es läuft in seinem Land womöglich anders, aber sein Wirken 1:1 hierher zu übertragen, halte ich für sehr, sehr schwierig. In den zehn Monaten bei Sechzig habe ich Ismaik nicht einmal gesehen. Womöglich war es deshalb paradiesisch.
Wie denken Sie an Ihre Zeit bei den Löwen zurück?
Ich hatte eine tolle Zeit, wir hatten in der Geschäftsstelle und im Umfeld ein gutes Klima – auch mit der Presse. Man hat mir Anfang 2014 eine Vertragsverlängerung angeboten. Ich wollte mich von einigen Spielern trennen und mit jungen Akteuren wie Julian Weigl, den ich hochgeholt habe, Maxi Wittek, Marius Wolf und anderen Talenten ein Team aufbauen. Das wollte der Verein nicht. Dann kam dieser holländische Trainer (Ricardo Moniz, d. Red.), man holte Spieler aus Barcelona und von überall her. Seitdem ist Sechzig immer weiter abgerutscht. Es ist nicht mehr das 1860, das es mal war.
Wie viel Identität ist den Löwen noch geblieben?
1860 ist eigentlich ein geiler Klub, mit den Fans und allem, was dazugehört. Die Jugendarbeit ist fantastisch, und doch sind es immer weniger Spieler aus der eigenen Jugend. Das entfremdet. Es geht immer mehr Identität verloren. Ich kann auch diese Aussperrung nicht nachvollziehen. Was will man heutzutage noch verheimlichen?
So will der Klub im kommenden Jahr den Aufstieg schaffen.
Wenn man Erfolg hat, heiligt der Zweck womöglich die Mittel. Bisher hat 1860 viel, viel Geld investiert, ohne auch nur einen einzigen Schritt weiterzukommen. Im Sommer schlägt man sicher groß zu. Dann ist Sechzig für mich nicht nur ein selbsternannter, sondern ein tatsächlicher Aufstiegskandidat. Wenn ich aber die Begleitumstände sehe, bin ich froh, dass wir das nicht haben – dann lieber mit weniger Geld eine Mannschaft aufbauen.
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