„Fast wie Woodstock“
12.300 Fans feiern 150 Jahre 1860, die Meisterlöwen und sich selbst im Dauerregen. Boss Rainer Beeck verspricht ein jährliches Revival.
MÜNCHEN Auch nach dem Schlusspfiff, als der Festspieltag beim TSV 1860 schon gut sieben Stunden andauerte, ging niemand nach Hause. Vom Band liefen alte Löwenklassiker wie „Weißblau, weißblau TSV“ von Stefan Schneider und neue Sechzig-Songs wie „Mit Leib und Seele“ von den „Vorstadtkönigen“. Die Meisterlöwen auf der Tribüne umarmten sich noch einmal, die Profis auf dem Rasen liefen zur Westkurve. Und die Fans blieben einfach im Stadion, das ihre Heimat ist.
Als sie schließlich die Tribünen verließen, marschierten die meisten der 12.300 Zuschauer noch die Grünwalder Straße stadtauswärts zum Trainingsgelände, wo die Party ihre Fortsetzung fand. Selbst Reiner Maurer, der Trainer, nahm zu Fuß an der Prozession teil. „Ich mag mich mal unter die Fans mischen“, sagte er. Gefühle aufschnappen.
Dieser Tag, die Giesinger Fan-Party zum 150-jährigen Jubiläum des TSV 1860 mit dem beachtlichen 1:1 der Profis gegen Borussia Dortmund und dem nostalgischen 1:0 der Traditionself gegen eine Fan-Auswahl, mit dem Weißwurstfrühstück zuvor und der Autogrammstunde danach, vor allem aber mit einer Löwenparty, wie Giesing sie lange nicht mehr erlebt hat, tat den gebeutelten Sechzgern gut. Und das kam gerade recht. Nach den turbulenten Wochen (Trainerwechsel, verlorener Catering-Prozess, Rücktritt von Geschäftsführer Stoffers) kam dieser Festtag zum richtigen Moment. Selbst dass der Himmel über Giesing fast den ganzen Geburtstagssamstag ohne Pause weinte, stand nicht dagegen. Auf den Wegen und Wiesen, vor dem Stadion und auf dem Trainingsgelände war alles voller Pfützen, doch die Löwen-Fans stapften munter drin herum.
„Wo gibt es das sonst, dass ein Verein bei einem solchen Mistwetter so viele Fans mobilisiert“, fragte Ex-Trainer Karsten Wettberg, einst der „König von Giesing“ und nun Coach der Fanauswahl, die AZ – und gab die Antwort gleich selbst: „Das gibt’s nur bei Sechzig.“
Auch Präsident Rainer Beeck staunte, nur mühsam den Pfützen ausweichend, über die Massen, die auch Stunden nach dem Spiel noch im Regen bei der Autogrammstunde am Trainingsgelände Schlange standen: „Das ist fast wie in Woodstock hier.“ Nur dass das Spaß-Matsch-Festival an der Grünwalder Straße ab sofort als regelmäßiges Revival geplant ist: „Wir werden das künftig einmal im Jahr machen“, sagte Beeck der AZ.
„Wir haben es geschafft, das Löwen-Feeling rüberzubringen. Trotz miesen Wetters", sagte Beeck bei der Live-Übertragung bei abendzeitung.de (siehe unten). „Wahnsinn, was hier bei uns los ist! Es kribbelt! Ein Tag voller Emotionen!"
Ein Tag zum Genießen. „Für unsere Fans war das ein Riesenerlebnis", sagte Daniel Bierofka. „Die Stimmung war beeindruckend. Die Fans haben es genossen. Wir auch." So sah es auch Mittelfeldmann Alexander Ludwig, der die Löwenführung gegen Dortmund erzielt hatte: „Es ist cool, in so einer Atmosphäre, in so einem Stadion zu spielen." Auch Neu-Löwe Stefan Buck, gerade mal einen Tag im Verein, war angetan: „Die Resonanz der Fans ist überwältigend. Ich bin schon total begeistert.“
Die Helden von 1966 sind das immer noch. „Für mich war es ein ganz besonderer Kick, dies mit auf die Beine zu stellen", sagte Manni Wagner, der die Meisterlöwen in der Halbzeit aufs Feld führte.
So kam doch Wehmut auf am Nostalgietag: „Es ist schade, dass man das Grünwalder nicht permanent wieder zum Leben erwecken kann", fand Ex-Torjäger Bernhard Winkler, inzwischen Trainer der U23. „Aber man weiß ja nie, im Fußball gibt es immer wieder Wunder.“ Und auch blaue Wunder, die Spaß machen.
Gunnar Jans, Marco Plein