Fan-Schwund bei den Löwen: Wo soll das noch enden?
München - Die erste Reaktion ist immer gleich bei den Fans: ein lautes Seufzen, ein langes Ausatmen ist zu hören, wenn es um den Zuschauer-Schwund beim TSV 1860 geht. Ein Thema, das schmerzt in der Löwen-Seele. Zuletzt waren gegen Paderborn (2:2) gerade einmal 13800 Fans im Stadion – offiziell, alle (auch die nicht erschienenen) Dauerkarteninhaber mitgerechnet. Tatsächlich dürften es deutlich weniger gewesen sein. „Grausamer geht's nicht", meint Andi Kern, im Vorstand der ARGE und Vorsitzender der Holledauer Löwen. Bislang kamen durchschnittlich 18290 Fans (mindestens 20 000 waren kalkuliert) zu den Heimspielen – so wenig wie seit zwanzig Jahren nicht!
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Der Stimmungsboykott der Kurve, die in den ersten 19 Minuten schwieg? Passte zur trostlosen Kulisse. Kern: „Es ist wird einem ständig vorgegaukelt, dass man angreifen möchte. Immer wieder wird man enttäuscht. Man kann sich nicht alles gefallen lassen!"
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Der Fan-Schwund bei den Löwen – weder Präsident Gerhard Mayrhofer („Wir brauchen mehr Rock’n’Roll“), noch sein neuer Geschäftsführer Markus Rejek („1860 hat mehr Sex als der FC Bayern“) wollten sich auf AZ-Anfrage zum Zuschauerschwund, den Ursachen und den möglichen Strategien, um diesen Zustand zu ändern, äußern. Die AZ zeigt Gründe für die dramatische Entwicklung.
Fehlende Attraktivität: 13 Tore erzielten die Löwen in ihren elf Heimspielen. Von der Behauptung von Rejek, der TSV 1860 habe mehr Sex als der FC Bayern, ist bislang nichts zu sehen. Meister-Löwe Fredi Heiß meint: „Es ist eine Mannschaft, die sich ihrem Schicksal einfach ergibt und nur dann läuft, wenn sie muss. Die Fans spüren das.“ Und bleiben fern. Kern geht noch weiter: „Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass die Löwen untrainierbar sind. Da muss erst ein 35-jähriger Bierofka eingewechselt werden, um zu zeigen, wie man kämpft."
Fehlende Fannähe: Ex-Präsident Dieter Schneider besuchte rund 100 Fanklubs pro Jahr in ganz Deutschland. Das kam gut an. Unter dem aktuellen Präsidium mit Gerhard Mayrhofer ist das anders. Hauptsächlich besucht Vize Peter Helfer die Fanklubs, Ober-Löwe Mayrhofer nur in den nötigsten Fällen. Viele Fans fühlen sich nicht mehr richtig angesprochen, viele Vorsitzende der Fanklubs klagen darüber, dass sie die Busse zum Spiel nicht mehr besetzen können und deshalb noch draufzahlen müssen. „Man muss die Unterstützung zurückgewinnen“, sagt Edel-Fan Franz Hell. „So schafft man es nicht.“
Fehlende Werbeaktionen: Die aktuelle Spielzeit steht unter dem Motto „Jagdsaison". Zuletzt warben die Löwen vor dem Heimspiel gegen Düsseldorf mit dem „Fortuna-Tarif“, damit erhielten die Fans beim Kauf einer Karte das aktuelle Trikot zum Vorzugspreis. Zudem gibt es ab und zu vergünstigte Tickets. Die letzte plakative Aktion fiel bei den Fans allerdings eher durch: Der Ladies-Day, der für die Besucherinnen des Business-Bereiches eine Massage und Sekt parat hielt. Zu neuen Strategien wollte sich bei 1860 gestern gegenüber der AZ niemand äußern.
Fehlende Perspektive: Zwar haben die Löwen noch rund 450 Fanklubs. „Es ist erkennbar, dass die Fans immer weniger und älter werden. Jüngere zieht es eher zu anderen Vereinen", sagt Kern. Nicht nur an der Fan-Basis schwinden die Unterstützer. Auch die Business-Seats sind ein Minus-Geschäft. Die Löwen müssen für 2100 Business-Seats etwa 45 Euro pro Spiel an die Catering-Firma zahlen, egal ob der Platz besetzt ist oder nicht. Macht ein jährliches finanzielles Minus von etwa 800.000 Euro. Was tun die Löwen dagegen?