Interview

Ex-TSV-1860-Trainer Alexander Schmidt mit Klartext: "Schwer bis unmöglich, mit Ismaik zusammenzuarbeiten"

Im Interview mit der AZ spricht Alexander Schmidt, ehemaliger Trainer des TSV 1860 und von Dynamo Dresden, über das Duell seiner beiden Ex-Vereine.
von  Matthias Eicher
Sechzigs ehemaliger Trainer Alexander Schmidt (li.) lässt kein gutes Haar am Löwen-Investor Hasan Ismaik.
Sechzigs ehemaliger Trainer Alexander Schmidt (li.) lässt kein gutes Haar am Löwen-Investor Hasan Ismaik. © IMAGO / Sven Simon

Der 55-jährige Alexander Schmidt war von 2002 bis 2013 in Sechzigs Trainer-Team aktiv und führte 2021 Löwen-Gegner Dresden zum Aufstieg in die 2. Bundesliga. Aktuell ist er U18-Trainer von Austria Klagenfurt.

AZ: Herr Schmidt, Freitagabend, Flutlichtspiel, Dynamo Dresden empfängt Sechzig München (19 Uhr, im AZ-Liveticker). Wie klingt das für Sie?
ALEXANDER SCHMIDT: Wenn ich die Spielpaarung nur höre, krieg ich schon Gänsehaut. Da trifft brutale Wucht aufeinander im deutschen Fußball. Wegen Dynamos Krise ist auch ordentlich Brisanz drin. Für mich persönlich spielen viele Emotionen rein, weil ich beide Vereine sehr gerne trainiert habe.

Beginnen wir kurz mit Dresden, bevor wir uns 1860 zuwenden. Was ist da los, verspielt der scheinbar übermächtige Topfavorit die Zweitliga-Rückkehr?
Man sieht, wie riesig der Erfolgsdruck in Dresden ist. Was ich so höre, war man sich zu sicher, dass man den Aufstieg packt. Aber jetzt haben sie einen großen Vorsprung verspielt, viel Unruhe drin, einen negativen Trend. Ich hoffe, dass sie den umbiegen können. Vom Kader her hat Dynamo brutale Qualität, sie könnten mit zwei Drittligateams auflaufen.

Alexander Schmidt trainierte sowohl den TSV 1860 als auch Dynamo Dresden – am Freitag treffen beide Teams aufeinander.
Alexander Schmidt trainierte sowohl den TSV 1860 als auch Dynamo Dresden – am Freitag treffen beide Teams aufeinander. © IMAGO/Ulrich Wagner

Sie haben Anfang 2021 als Trainer in Dresden in einer ähnlichen Situation übernommen, durften die Drittliga-Meisterschaft und den Aufstieg bejubeln, bevor Sie den hohen Erfolgsdruck zu spüren bekamen.
In der Dritten Liga haben wir mit sechs Siegen und einem Unentschieden einen top Endspurt hingelegt, das war eine sehr schöne Zeit. In der Zweiten Liga lief es am Anfang auch gut, wir waren in den ersten Spielen ungeschlagen und sogar vorne dabei. Klar hatten wir auch schwierige Phasen, aber wir sind nie auf einem Abstiegsplatz gestanden. Trotzdem musste ich gehen, obwohl das Verhältnis zur Mannschaft intakt war. Von den Fans habe ich auch nie Gegenwind gespürt. Schon traurig, dass sie mir damals nicht mehr vertraut haben. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass wir nicht abgestiegen wären.

Alexander Schmidt über den TSV 1860: "Das ist für mich der größte Unterschied zu Dynamo"

Damit kommen wir zu den Löwen: Unter Neu-Trainer Argirios Giannikis gelang 1860 eine Serie von acht Spielen ohne Pleite, gefolgt vom 0:1 gegen Ulm.
Ich bin froh, dass sich Sechzig da unten rausziehen konnte. Der neue Trainer hat zum Glück wieder frischen Wind reingebracht. Viele Spieler, die schon als zu schlecht abgestempelt waren, haben ihr Können nochmal gezeigt. Vor allem ein Fynn Lakenmacher, der jetzt wieder trifft. Aber so ist es eben in München, da kippt die Stimmung extrem schnell. Deswegen muss ich ganz ehrlich sagen: Ich hatte zwischenzeitlich gar keinen Bock mehr, den Löwen zuzuschauen.

Das hatten Sie vorhin bereits angedeutet: Was hat Sie bei Sechzig konkret gestört?
Das ist für mich der größte Unterschied zu Dynamo: In Dresden hatte man das Gefühl, dass die ganze Stadt hinter dem Verein, hinter der Mannschaft steht. Nicht nur der legendäre K-Block. In München gibt es nur Streitereien: Im Verein gibt es zwei Lager, die Strukturen kranken, in der Stadionfrage kommt man nicht weiter, auch bei den Fans kippt die Stimmung schnell. Aber kein Wunder, wenn es so tiefe Gräben gibt: Für die einen ist Investor der Böse, für die anderen der Präsident. Da macht Sechzig doch gar keinen Spaß mehr.

Ehemaliger TSV-1860-Trainer Alexander Schmidt: "Bei Hasan Ismaik geht's immer um Publicity"

Sie haben es aus nächster Nähe erlebt, als Sie zwischen 2007 und 2013 über sechs Jahre bei 1860 tätig waren: als Jugendtrainer, als Co-Trainer von Reiner Maurer und für 28 Zweitligaspiele als Proficoach.
Ich hatte eine lange und auch schöne Zeit bei den Löwen, vor allem als Nachwuchstrainer. Wir hatten mit Ernst Tanner einen überragenden Jugend-Leiter und viele Spieler rausgebracht (unter anderem die Bender-Zwillinge, Kevin Volland, Moritz Leitner, d. Red.). Es gab aber schon damals Zoff ohne Ende. Als der Investor eingestiegen ist, dachten viele, dass alles nur besser werden kann. Er hat Sechzig ja vor der Insolvenz gerettet. Aber in all den Jahren hat sich leider nichts verbessert: Es gab genau dieselben Probleme.

Erzählen Sie mal, wie Sie die Machtkämpfe erlebt haben.
Ich weiß noch, als ich damals Profitrainer wurde und wir nach meiner ersten Halbsaison angreifen wollten. Ich bin dann schnell zwischen die Stühle geraten: der damalige Geschäftsführer Robert Schäfer und der Präsident, erst Dieter Schneider und dann Gerhard Mayrhofer, sind voll hinter mir gestanden, aber der Ismaik wollte natürlich lieber einen internationalen Trainer haben: Es musste ein unbedingt großer Name sein...

...und der lautete nicht Alexander Schmidt...
...sondern Sven-Göran Eriksson. Bei Ismaik geht's immer um Publicity: Hauptsache ein Star-Trainer und nicht einer, der 1860 von der Pike auf kennt und mit voller Leidenschaft dabei ist. Nein, es sollte Eriksson kommen, am besten mit seinen Badelatschen direkt aus Thailand, wo er vorher Trainer war.

Schmidt: "Schwierig bis unmöglich, mit Ismaik zusammenzuarbeiten"

Eriksson war Anfang 2013 bereits als Cheftrainer verkündet worden, sagte aber wenig später ab, obwohl er mehrfach in der Allianz Arena auf der Tribüne gesessen hatte.
Der Wahnsinn. Er hätte kommen sollen und ich die Arbeit machen. Wir hatten damals übrigens schon längst einen Plan: Wir hatten vier, fünf Spieler an der Hand und dem Ismaik damals gesagt: Wenn wir diese Spieler kriegen, steigen wir in die Bundesliga auf. Da kam nicht einmal eine Antwort.

Zurück ins Hier und jetzt: Aktuell fährt der Verein einen Kurs ohne Ismaik, die letzten Personalentscheidungen wurden alle mit 50+1-Regel getroffen.
Ich bin ja mit Robert Reisinger und Christian Werner (Präsident und Sport-Geschäftsführer, d. Red.) in gutem Kontakt. Der Ismaik darf sich nicht wundern, wenn die Vereinsbosse ohne ihn handeln.

Wäre ein konstruktives Miteinander, wie es von Teilen der Funktionäre wie Fans gefordert wird, nicht der bessere Weg?
Ach, hören Sie doch auf. Das hat man doch immer wieder probiert. Du kannst nicht agieren, wirst hingehalten, weil alles verzögert und auf den letzten Drücker entschieden wird. Diese Problematik hatten schon viele Trainer, Sportchefs und Präsidenten. Und 2016/17 hat Ismaik vogelwild Leute dahergeholt, unter Trainer Vitor Pereira. Da steckte null Plan dahinter, sondern irgendwelche Berater, die das gesteuert haben. Am Ende ist Sechzig abgestiegen und keiner wollte schuld sein.

Wie wäre dem Dauerpatienten 1860 aus Ihrer Sicht zu helfen?
In meinen Augen ist es sehr schwierig bis unmöglich, mit Ismaik zusammenzuarbeiten. Viele sagen, dass 1860 ohne Ismaik nicht mehr da wäre. Aber da fange ich doch lieber in einer niedrigeren Liga wieder an, bevor ich auf Dauer eine Geisel bin. Dieser Mann fährt mit einer Luxus-Limousine vor, fliegt mit seinem Privatjet durch die Gegend und hat seine dicke Zigarre in der Hand. Das ist doch nicht Sechzig München!

Machtkampf beim TSV 1860: "Robert Reisinger hat Eier und zeigt dem Ismaik klare Kante"

Eine Insolvenz dürfte Ismaik zu verhindern wissen, im AZ-Interview hat der Jordanier kürzlich aber seine Bereitschaft erklärt, über einen Anteilsverkauf zu verhandeln – wenn sich die Vereinsvertreter für ihre Nadelstichpolitik entschuldigen und respektvoll gegenübertreten.
Da lache ich ja. In welcher Welt lebt der denn? Ist Respekt eine Einbahnstraße? Warum sind manche Leute im e.V. denn zu Hardlinern geworden? Ismaik ist es doch, der sie nicht respektiert – und dass sie ihm was zu sagen haben.

Stichwort 50+1-Regel, gegen die Ismaik klagt, anstatt sie zu akzeptieren.
Genau. Auch, wenn Reisinger von vielen Seiten kritisiert wird: Er hat Eier und zeigt dem Ismaik klare Kante. Ich habe schon die Hoffnung, dass Ismaik irgendwann die Lust verliert. Er hat sich doch selbst erarbeitet, dass er im Stadion von den Fans so angefeindet wird! Sechzig bräuchte einfach ein paar Großinvestoren, ein Münchner Unternehmen wie BMW, die ihm seine Anteile abkaufen. Dann wärst du endlich erlöst von einem Investor wie Ismaik. Es geht doch gerade schon wieder los.

Was meinen Sie?
Sechzig müsste längst für die neue Saison planen.

"Hasan Ismaik fährt nicht einmal Halbgas, was Investitionen betrifft"

Viele Verträge laufen aus, Stand jetzt hat 1860 mit 4,5 Millionen den Etat aber bereits so gut wie ausgeschöpft.
Wie soll man denn so eine vernünftige Planung auf die Beine stellen? Ismaik fährt zur Zeit ja nicht einmal Halbgas, was Investitionen betrifft. Er sagt immer wieder, dass ihm 1860 am Herzen liegt. Das ist ja lächerlich. Wenn es so wäre, dann würde er doch Geld in die Hand nehmen. Es geht doch nur darum, das Investment nicht zu verlieren und irgendwann wieder Kohle rauszukriegen.

Nun sind wir etwas abgeschweift, zurück zum Spiel: Wie kann 1860 vor 29.000 Zuschauern im ausverkauften Rudolf-Harbig-Stadion bestehen?
Da wird eine richtige Schlacht. Sie müssen mutig auftreten, dürfen nicht zu passiv sein. Wenn sich die Löwen ein Tor fangen, ist es vorbei. Je länger es 0:0 steht oder wenn Sechzig in Führung geht, wird Dynamo nervös. Ich schätze aber, von Dresden kommt eine Trotzreaktion und tippe 3:1!

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