Ex-Sportdirektor des TSV 1860 im AZ-Interview: "Anspruch und Realität extrem weit auseinander"

Florian Hinterberger, Ex-Sportdirektor, über die Zustände bei 1860: „Anspruch und Realität klaffen extrem weit auseinander“.
Patrick Mayer |
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München - Der jetzt 57-Jährige war Spieler (1990 bis 1992), Trainer (2001 - ‘03) und zuletzt Sportdirektor (2011 bis 2014) beim TSV 1860. Vor dem Stuttgart-Spiel sprach er mit der AZ.

AZ: Herr Hinterberger, Sie waren lange Sportdirektor bei 1860. Ihre Einschätzung: Ist Kosta Runjaic seinen Job los, wenn er in Stuttgart verliert?

FLORIAN HINTERBERGER: Vor der Saison hieß es: Wir haben endlich den richtigen Trainer und den richtigen Sportchef. Jetzt muss Sechzig den Worten Taten folgen lassen, wenn der Verein Kontinuität reinbringen will. Es hat nichts gebracht, ständig die Trainer zu feuern. Man wollte nichts mehr mit dem Abstieg zu tun haben, mit diesem Budget und diesem Kader sollte das drin sein. Dann muss man es eben auch mal durchziehen.

Augsburg hat einst wochenlang zu Markus Weinzierl gehalten, als es nicht lief, und dann Riesen-Erfolg gehabt.

Man kann Augsburg nicht mit 1860 vergleichen. Bei Sechzig ist die See rauer. Aber nochmal: Es sind so viele Trainer, Sportchefs und Präsidenten verschließen worden, da muss man auch mal durch Täler gehen. Du hast in jeder Saison immer ein paar Spiele, in denen es nicht läuft. Sowas geht aber bei 1860 nicht ohne große Unruhe.

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Ist das nicht eine getrübte Selbstwahrnehmung?

Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei 1860 extrem weit auseinander. Das weiß jeder. Das macht den Verein interessant, teils sympathisch. Dabei hatte der Investor zuletzt richtig Geld in die Hand genommen. Jeder, der mit Sechzig zu tun hat, sollte dankbar sein, dass Hasan Ismaik 2011 kam. Ansonsten müssten wir uns solche Gedanken nicht machen, weil die Sechzger nicht mehr im Profifußball wären. Anfangs war das Problem, dass ihm das Metier fremd war. Jetzt scheint er besser beraten zu sein.

Hätten Sie sich solche Bedingungen auch gewünscht?

Natürlich. Zu meiner Zeit hat er in das riesige Schuldenloch investiert. Da musste ich zufrieden sein, dass das erledigt war. Seine Prämisse war sparen und konsolidieren, trotzdem mit dem Ziel, einen Aufstiegsplatz zu belegen.

Zu Ihrer Anfangszeit, 2011, hieß es, Sechzig stünde nahe der Insolvenz.

Hasan Ismaik war die letzte Möglichkeit, den Verein im Profifußball zu halten. Hier muss man dem damaligen Präsidenten Dieter Schneider danken, der alles daran gesetzt hatte, dass der Verein nicht in den Amateurbereich rutscht. Es ging angesichts der damaligen Schulden (geschätzt 18 Millionen Euro, d. Red.) nur darum, den Verein zu retten.

Was blieb für Ihren Etat?

Mit dem Budget lagen wir im Mittelfeld der 2. Liga (geschätzt acht Millionen Euro, d. Red.).

Es wirkt manchmal, als sitze in Abu Dhabi jemand, der ständig den Finger auf einem roten Knopf hat.

Hasan Ismaik hat sich am Anfang auf ein Feld begeben, das er nicht kannte. Ihm war der Profifußball völlig unbekannt. Er kommt zudem aus einem anderen Kulturkreis, das darf man nicht vergessen. Deswegen gab es von Anfang an Missverständnisse. Langsam stellt er sich auf die Begebenheiten ein. Er versucht so zu handeln, dass es für sein Investment nach vorne geht. Da geht es nicht mehr um Personen.

Er stellt sich gerne als großer Löwen-Fan hin.

Mein Eindruck von ihm war recht angenehm. Trotzdem ist er ein Geschäftsmann. Nochmal: Er ist ein Investor und möchte sicher irgendwann was davon haben.

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Dafür hat er viel Geld für Transfers wie den von Stefan Aigner bereitgestellt. Wieviel hatten Sie zur Verfügung?

Sowas war damals undenkbar. Die höchste Ablöse waren 600 000 Euro für Yuya Osako (Köln, d. Red.), der uns dann 1,5 Millionen gebracht hat. Ansonsten galt es, ablösefreie Spieler zu holen. Auch die Gehälter sollten runtergefahren werden. Das gipfelte in Unstimmigkeiten, als ich Daniel Halfar verkaufen musste, weil Ismaik wegen Streits für eine Teillizenzierung nichts mehr gegeben hat und wir schauen mussten, wie wir über die Runden kommen. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei.

Müsste Ihre Arbeit also anders bewertet werden?

Naja, der damalige Präsident Gerhard Mayrhofer hat gesagt, Platz sechs sei nicht der Anspruch. Unter mir gab es zwei sechste Plätze, danach war Sechzig leider Tabellen-16. und -15.. Es wurde unnötigerweise der Mannschaftskern zerstört und ein vermeintlicher Umbruch eingeleitet, der nicht funktionierte.

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