Interview

Ex-1860-Spieler Kevin Volland im AZ-Interview: "Es ist alles andere als normal, solche Unsummen zu verdienen"

Ex-Löwe Kevin Volland spricht im AZ-Interview über Weihnachten, seine Spendenaktion für Bangladesch, die WM in Katar, Bayern-Torhüter Nübel, einen Wechsel zu den Löwen — und Wichtigeres als Fußball.
von  Matthias Eicher
Kevin Volland wurde im Allgäu geboren
Kevin Volland wurde im Allgäu geboren © IMAGO/Ulrich Wagner

AZ-Interview mit Kevin Volland: Dem gebürtigen Allgäuer (30) gelang einst über den TSV 1860 der Sprung in die Bundesliga. Nach Stationen bei der TSG Hoffenheim und Bayer Leverkusen spielt er mittlerweile in Frankreich bei der AS Monaco.

AZ: Herr Volland, als Fußballprofi befinden Sie sich fast das gesamte Jahr über in der Blase des Leistungssports. Was treiben Sie jetzt in der stillen Zeit?
KEVIN VOLLAND: Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, mache Urlaub und versuche, die Birne freizukriegen. Wenn es der Spielplan zulässt, fahre ich an Weihnachten immer in meine Heimat ins Allgäu. In diesem Jahr ist ja bekanntlich noch mal alles anders: Wir hatten unseren Urlaub schon, jetzt folgen vier Wochen Vorbereitung und dann zwischen den Jahren geht's schon wieder los. Die Zeit ist ganz schön durchgetaktet und verfliegt schnell.

Volland: So feiert der Ex-Löwe Weihnachten

Umso kostbarer sind die Momente mit der Familie: Wie begehen Sie das Weihnachtsfest?
Für mich ist es die schönste Zeit, Weihnachten und Silvester mit der Familie zu verbringen. In meiner Heimat im Allgäu haben wir zum Glück oft weiße Weihnachten. Ganz klassisch läuft es bei uns oft so: Am Heiligen Abend sind wir bei der Familie meiner Mama, mit Oma, Opa, Tanten und Onkels. Am 25. Dezember sind wir am Nachmittag bei Papas Familie. Am 26. Dezember besuchen wir Oma und Opa. Mit meinen beiden Kindern hat sich die Lage etwas geändert: Jetzt haben wir schon zwei Mal Silvester hier in Monaco gefeiert.

Können Sie uns von einer Tradition berichten, die von den Vollands gepflegt wird?
Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt's bei Oma ein traditionelles Gansessen. Mit den Kindern wollen wir wieder mehr in die Kirche gehen. Zudem fällt mir noch der 26. Dezember ein: Da gibt's bei uns im Allgäu das "Christbaumloben": Man läuft von Haus zu Haus, schaut sich die Bäume an — und immer, wenn einer gelobt wird, muss man einen trinken (lacht).

Man denkt in dieser Zeit auch an Menschen, die es nicht so gut haben: Sie haben sich für eine Aktion mit World Vision entschieden, Saatgut für bedürftige Menschen in Bangladesch zu spenden.
Ich bin eigentlich nicht der Typ, der alles, was er macht und spendet, an die große Glocke hängen muss. Aber dieses Projekt ist einfach superwichtig: Wir spenden zwei Fußballfelder voller Saatgut an Menschen, die Probleme damit haben, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Ich freue mich, dass ich mithelfen kann, dass es diesen Menschen besser geht. Mein ehemaliger Mitspieler Nadiem Amiri (Bayer 04 Leverkusen, d. Red.) macht auch mit und engagiert sich für notleidende Familien in Afghanistan. Wir hoffen natürlich, dass World Vision durch unser öffentliches Engagement so noch viele weitere Spenden einsammeln kann, sodass noch mehr Menschen geholfen werden kann.

Was hat Sie dazu bewogen, Ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und zu helfen?
Das ist eine absolute Herzensangelegenheit. Wir können es uns gar nicht vorstellen, dass man Hunger leiden muss. Ich durfte im Allgäu, wo es auch viel Landwirtschaft gibt, unbekümmert aufwachsen, obwohl sich meine Eltern getrennt haben. Meine Mum hatte nicht ultra viel Geld, aber sie hat uns alles ermöglicht. Bei uns ist alles so selbstverständlich, ganz im Gegensatz zu vielen Ländern auf der Welt. Als Kind realisierst du das gar nicht, aber im Laufe der Jahre blickt man über den Tellerrand. In den letzten Jahren meiner Karriere ist mir mehr und mehr bewusst geworden, wie wichtig solche Spendenaktionen sind.

Volland: "Fußball ist für mich Leidenschaft"

Sie haben beim TSV 1860 den Sprung in den Profifußball geschafft, sich bei der TSG Hoffenheim und Bayer Leverkusen in der Bundesliga etabliert, bevor Sie zur AS Monaco gingen. Wann haben Sie realisiert, dass Sie es mit dem Profifußball schaffen könnten — und die Dankbarkeit entwickelt, um anderen etwas abzugeben?
Als ich bei den Löwen in der U19 war, habe ich schon gemerkt: Das könnte wirklich was werden! Ich hatte glücklicherweise als Kapitän ein hohes Ansehen. Da kriegst du schon so ein Gespür dafür. Aber du weißt auch, dass es ein langer Weg ist. Wenn du dann deine ersten Steps in der Bundesliga gehst und immer wieder neue Verträge bekommst, musst du dir über diese Unsummen, die man verdient, immer wieder in den Hinterkopf hämmern: Das ist doch alles andere als normal. Da entwickelt man schon ein Bewusstsein, dass man Gutes tun möchte. Ich habe immer die Sicherheit, dass ich meine Familie habe. Selbst wenn ich von heute auf morgen nicht mehr im Rampenlicht stehen würde oder mein ganzes Geld futsch wäre. Ich wüsste immer noch, dass ich jederzeit ins Allgäu fahren und normal arbeiten kann, ohne Existenzängste zu haben. Dass mich die Leute dort so mögen, wie ich bin. Das ist eine Riesen-Sicherheit, die mir durch meine ganze Karriere hilft.

Was bedeutet Ihnen der Fußball?
Fußball ist für mich Leidenschaft. Es wird im Laufe deiner Karriere aber immer mehr zum Beruf. Der Fußball spult inzwischen schon ein hartes Programm ab. Die Spielpläne und Wettbewerbe sind mit denen vor 10, 20 Jahren gar nicht mehr vergleichbar. Spätestens, wenn man selbst Kinder hat, weiß man: Es gibt auch andere Dinge auf der Welt als Fußball. Familie, Heimatverbundenheit, ein guter Freundeskreis.

Wir kennen Sie als gut gelaunten Profi, der immer einen Spruch auf Lager hat. Macht es Sie als Mensch aus, in diesem Haifischbecken nicht immer alles zu ernst zu nehmen?
Ich denke, ich fahre mit meiner offenen Art ganz gut. Sie haben schon Recht, ich bin schon ein Spaßvogel: Situationen mit einem Spruch aufzulockern, ist eine Stärke von mir. Aber man muss auch umswitchen können: Auf dem Platz ist nicht immer alles lustig, du musst einen guten Fokus haben. Die Disziplin ist der Schlüssel, um erfolgreich zu sein.

Monaco soll wieder in die Champions League einziehen

Damit wären wir wieder auf dem grünen Rasen - und bei zwei äußerst erfolgreichen Spielern, die Sie aus der französischen Ligue 1 kennen: Haben Sie sich bei der WM in Katar mit Lionel Messi über seinen WM-Titel gefreut — oder mit Kylian Mbappé getrauert, der verrückterweise trotz vier Toren im Finale nur Vizeweltmeister geworden ist?
Erstmal muss ich sagen: Ich habe noch nie ein krasseres WM-Finale gesehen. Jetzt hat Messi seine überragende Karriere gekrönt. Da habe ich mich persönlich für ihn echt mitgefreut. Ich bin als Fußballer ja damit groß geworden, Messi zuzuschauen. Argentinien war für mich auch als Mannschaft bissiger, griffiger. Mbappé hat auch eine überragende WM gespielt, ich hätte es ihm und Frankreich auch gegönnt. Ich freue mich darauf, bald wieder gegen sie zu spielen. Wir haben viel vor und wollen mit Monaco wieder in die Champions League einziehen.

Was sagen Sie denn zum Debakel der DFB-Elf und Hand aufs Herz: Haben Sie aufgrund der deutschen Abschluss-Schwäche auch noch ein bisschen gehadert, dass Sie Bundestrainer Hansi Flick nicht nominiert hat?
Nein, das nicht. Ich bin keiner, der sagt: "Shit, da hättest du jetzt auf dem Platz stehen können." Ich konnte die WM auch als Zuschauer genießen und habe mit Deutschland mitgefiebert — und mitgelitten, weil es ja leider nicht mal gereicht hat, die Gruppenphase zu überstehen. Aber wenn du deine Chancen nicht reinmachst und dir gegen Japan am Schluss noch zwei Stück fängst, ist es dumm gelaufen. Da wäre mehr drin gewesen. Leider gab es auch viele andere Sachen außerhalb des Fußballs, viele Diskussionen. Ich denke aber nicht, dass es daran lag. Und es war auch nicht alles so schlecht, wie es bei uns in den Medien jetzt gemacht wird.

Glauben Sie noch daran, dass sich zu Ihren 15 Länderspielen noch ein paar hinzugesellen? Sollte Thomas Müller demnächst aufhören, könnte Deutschland einen treffsicheren Stürmer gebrauchen. . .
Ich konzentriere mich voll auf Monaco und versuche, noch so lange wie möglich auf internationalem Top-Niveau zu spielen. Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen in der Europa-League mit Bayer Leverkusen, meinen alten Verein. In der Nationalelf war ich in den letzten Jahren ja immer mal wieder dabei, wie bei der EM 2021. Der Bundestrainer darf mich schon anrufen, aber ich werde jetzt nicht ständig auf mein Handy kucken. Ich nehme es, wie es kommt (lacht).

Rückkehr zu den Löwen?

Zum Abschluss müssen wir noch über zwei Münchner Vereine sprechen: Wie wäre es für Sie, wenn Sie Ihren Mannschaftskollegen Alexander Nübel noch im Winter an den FC Bayern verlieren würden, falls er seine Leihe vorzeitig beenden sollte?
Alex ist ein toller Torwart und ein hervorragender Typ. Wir machen sehr viel auch außerhalb des Fußballs miteinander und verstehen uns gut — vielleicht, weil er meinen Kindern immer Eis mitbringt, wenn er kommt. (lacht) Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben.

Wahl-Monegassen (v.l.): Rennfahrer Maximilian Günter mit den Monaco-Spielern Kevin Volland und Alexander Nübel.
Wahl-Monegassen (v.l.): Rennfahrer Maximilian Günter mit den Monaco-Spielern Kevin Volland und Alexander Nübel. © IMAGO/Andreas Beil

Und Ihr Ex-Verein, die Löwen: Sie hatten immer wieder mit einer Rückkehr geliebäugelt. Zeichnen Sie doch mal ein realistisches Szenario, das wir den Sechzger-Fans unter den Christbaum legen können.
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich 1860 sehr mag und viel zu verdanken habe. Es wär' nicht schlecht, wenn sie einmal aufsteigen würden, dafür drücke ich die Daumen. Aber dann müssen sie mich auch wollen, ich werde ja auch nicht jünger. Ich würde jedenfalls gerne noch ein paar Jahre spielen. Sie wissen ja: Ich bin sehr heimatverbunden und mag München. Reicht das, um die Gerüchteküche anzuheizen? (lacht)


Mehr Informationen zur Spendenaktion von Kevin Volland gibt es unter www.worldvison.de

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.