Interview

Er liebäugelte mit dem TSV 1860: Warum "Bayern-Killer" Gaus nicht nach München wechselte

Saarbrückens "Bayern-Killer" Marcel Gaus spricht in der AZ über die Pokal-Sensation gegen den FCB, das Fast-Karriereende, seine Löwen-Liebe – und einen geplatzten Wechsel zum nächsten Gegner Sechzig.
von  Matthias Eicher
Saarbrückens Bayern-Besieger schreit seinen Torjubel und vielleicht auch ein bisserl Ungläubigkeit heraus: Der 34 Jahre alte Oldie Marcel Gaus besorgt den Siegtreffer für den FCS, der die Pokal-Blamage des FCB in der Zweiten Runde besiegelt.
Saarbrückens Bayern-Besieger schreit seinen Torjubel und vielleicht auch ein bisserl Ungläubigkeit heraus: Der 34 Jahre alte Oldie Marcel Gaus besorgt den Siegtreffer für den FCS, der die Pokal-Blamage des FCB in der Zweiten Runde besiegelt. © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Alexander Neis

AZ: Herr Gaus, dürfen wir davon ausgehen, dass am 1. November, als Sie mit dem 1. FC Saarbrücken dem FC Bayern in der 96. Minute den Siegtreffer eingeschenkt haben, einen neuen Spitznamen bekommen haben?
MARCEL GAUS: Das dürfen Sie glauben. Ich habe einiges gehört, vor allem der "Bayern-Killer" ist öfter gefallen. Aber das ist jetzt nichts, was ich dauerhaft an meinen Nachnamen Gaus dranhängen werde. (lacht)

Wie fühlt man sich, wenn man der Mann ist, der die Bayern aus dem Pokal gekegelt hat?
Das ist ein sensationelles Gefühl. Allein dieses Duell mit dem FCB, dieses Pokalspiel machen zu dürfen, war ein Riesen-Highlight. Und dann auch noch der Sieg – was da los war, werde ich sicher nie wieder vergessen. Diese Sensation werden wir alle im Gedächtnis behalten. Das hat in ganz Deutschland – teilweise sogar in Europa – Wellen geschlagen. Ich persönlich habe natürlich auch hunderte Nachrichten erhalten, Glückwünsche, Interviewanfragen – wenn ich alles beantworten würde, würde ich immer noch daran sitzen. (lacht)

Gaus über Tuchel: "Als Trainer muss man allen Spielern zeigen, dass man ihnen vertraut"

Wie konnte es überhaupt passieren, dass ein Drittligist den Rekordmeister rauswirft – der danach den BVB mit 4:0 schlägt und den Gruppensieg in der Champions League holt?
Gute Frage. Da spielst du gegen die beste Mannschaft aus Deutschland, vielleicht Europas, und hast eigentlich gar keine Chance. Im Vorfeld hat jeder gesagt: "Die fangen sich ein paar und dann ist das Ding durch!" So, wie es ja auch fast allen Mannschaften geht. Ich hab' die meiste Zeit gegen Leroy Sané gespielt. Dann wird der ausgewechselt und es kommt Kingsley Coman rein. Da denkst du dir auch: "Na, bravo!" Es war gefühlt nur eine Frage der Zeit, bis einer trifft. Aber wir sind als absolutes Team aufgetreten, wir haben gekämpft, alles reingeworfen – und dann sind wir über uns hinausgewachsen.

War es denn leichtsinnig von Bayerns Trainer Thomas Tuchel, Stars wie Torjäger Harry Kane oder Jamal Musiala auf der Bank zu lassen?
Nein, nullkommanull. Als Trainer muss man allen Spielern zeigen, dass man ihnen vertraut. Ich erkenne da keinen großen Qualitätsabfall, wenn Spieler wie Eric Maxim Choupo-Moting oder Thomas Müller spielen. Die Bayern haben unfassbare Qualität.

Puh, wie schlagen wir jetzt den Bogen zum Drittliga-Alltag?
Das kann ich Ihnen schon sagen: Die Bayern sind jetzt Vergangenheit, wir müssen das Ding auch mal gut sein lassen. Es werden immer wieder Momente kommen, an denen das aufflackert, aber wir haben ja noch andere Themen: Zum Beispiel, dass wir in der Liga leider noch nicht so performen, wie wir es uns wünschen.

Marcel Gaus: "Ich glaube, gegen 1860 habe ich die meisten Tore meiner Karriere geschossen"

Und jetzt kommen am Samstag die Löwen in den Ludwigspark: Zwei Mannschaften, ein und dasselbe Zwischenfazit?
Es sieht wirklich ziemlich ähnlich aus: viel Potenzial, wenig Ertrag. Wenn ich unsere eigene Truppe so durchgehe, dann haben wir viele sehr gute Spieler drin. Ein Sieg gegen die Bayern geht ja auch nur, wenn es in einer Mannschaft passt. Bei 1860 stehen Spieler wie Jesper Verlaat, Morris Schröter oder Albion Vrenezi auf dem Rasen. Das sind lauter gute Kicker, die haben ganz andere Ambitionen und wären sicher auch weiter oben in der Tabelle. Zum Glück ist der Vrenezi gesperrt. (grinst)

Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie ein richtiger Löwen-Liebhaber sind?
Absolut! Ich glaube, gegen 1860 habe ich die meisten Tore meiner Karriere geschossen.

Neun Treffer in 15 Spielen waren es, für alle fünf Vereine, mit denen Sie gegen 1860 angetreten sind.
Ich kann mich erinnern, dass es für mich meistens gut lief. Aber keine Ahnung, woran das liegt. Ich scheine sie irgendwie zu mögen, die Sechziger. Das darf gerne so weitergehen, aber am besten wir sprechen nicht weiter darüber, lassen wir's lieber passieren...

Hätten Sie den Löwen auch auf der Brust tragen wollen? Nach AZ-Informationen sind Sie von 1860 mal umworben worden...
Stimmt. Ich glaube, 2013 war das. Der damalige Manager Florian Hinterberger hat mich angerufen, wir haben uns ausgetauscht und es stand ein Wechsel zur Debatte. Dann hat er sich nicht mehr gemeldet, also bin ich nach Kaiserslautern gegangen. Man hat natürlich schon damals mitbekommen, dass das Konstrukt bei 1860 schwierig ist. Aber der Verein hätte mich definitiv gereizt.

Wo wir schon bei Ihrem Werdegang sind: Vor einem Jahr waren Sie noch vertragslos, mit damals 33 Jahren. Haben Sie schon ans Aufhören gedacht?
Ich war kurz davor. Ich hatte vorher eine schöne Zeit beim FC Ingolstadt, aber mit dem Abstieg ist da viel kaputt gegangen. Aus meiner Sicht waren da auch die falschen Leute am Werk, da bin ich ganz ehrlich. So wollte ich eigentlich nicht aufhören, aber ich hatte schon Pläne, wenn kein passendes Angebot mehr gekommen wäre. Schließlich haben meine Frau und ich drei Kinder, es gibt auch ein Leben nach dem Fußball. Ich hatte drei, vier Vereine aus der Dritten Liga, die mich gereizt haben und mir gedacht: Wenn einer von denen auf mich zukommt, unterschreibe ich.

Gaus: "Jetzt wollen wir uns das Münchner Double holen"

Waren die Löwen darunter?
Ja, tatsächlich auch die Löwen. Einfach ein Verein mit viel Tradition, mit einer großen Fanbasis, bei dem mehr los ist als in Ingolstadt. Aber dann kam Saarbrücken...

...und ein knappes Jahr später schießen Sie die Bayern aus dem Pokal. Tolles Fußball-Märchen, das Sie da geschrieben haben.
Sie dürfen mir glauben: In diesem halben Jahr, das ich arbeitslos war, da war es alles andere als ein Märchen. Viele Vereine haben sich gedacht: "Der ist zu alt." Heutzutage setzen viele Klubs auf junge Spieler. Aber ich wollte meine Karriere nicht mit dem Abstieg beenden, habe immer an mich geglaubt, mehr trainiert als mancher Profi. Ich habe nie aufgegeben und es mir hart erarbeitet, dass es noch mal weiterging. Diese Geschichte mit den Bayern macht mich umso glücklicher. Und jetzt wollten wir natürlich auch die Löwen schlagen – und das Münchner Double holen!

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