"Ein Abstieg wäre auch eine Chance für 1860"

Der Ex-Löwe über sein Engagement als Cheftrainer in Berlin und die Situation beim TSV 1860: „Ich mache mir große Sorgen. Ich bin sehr traurig"
von  Interview: Reinhard Franke
In seiner Zeit bei den Löwen Fanliebling: Thomas Häßler, hier im Dress der Löwen-Allstars im Mai 2015.
In seiner Zeit bei den Löwen Fanliebling: Thomas Häßler, hier im Dress der Löwen-Allstars im Mai 2015. © Rauchensteiner/Augenklick

München Thomas Häßler (49) spielte in seiner Karriere unter anderem für den 1. FC Köln, Juventus Turin, den AS Rom, den Karlsruher SC und von 1999 bis 2003 für den TSV 1860. Der Welt- und Europameister trainiert ab Sommer den Berliner Bezirksligisten Club Italia 80.

München - Im AZ-Interview spricht er über sein Engagement als Cheftrainer in Berlin und die Situation bei den Löwen und sagt: „Ich mache mir große Sorgen. Ich bin sehr traurig darüber, wie sich das alles entwickelt“

AZ: Herr Häßler, Sie werden ab Sommer in Ihrer Heimatstadt Berlin Trainer beim Bezirksligisten Club Italia 80. Warum tut sich ein Welt- und Europameister die achte Liga an?
THOMAS HÄSSLER: Genau das ist die Frage: Warum sollte ein Welt- und Europameister das nicht tun? Egal, ob es achte, zehnte oder zwölfte Liga ist. Dieser Verein hatte von Anfang an das Bestreben gehabt, mich zu verpflichten, weil man sich ganz neu aufstellt. Ich fand das so interessant, dass ich sofort zugesagt habe. Und irgendwo muss ich mal anfangen. Ich war noch kein Cheftrainer und jetzt kann ich schauen, ob das etwas für mich ist. Und wenn ich in zehn Jahren zu mir sagen würde „Mensch, warum hast du die Chance nicht genutzt“, dann würde ich mich vielleicht ärgern.

Warum waren Sie bisher eigentlich nie Cheftrainer?
Das ist eine gute Frage. Es gab das eine oder andere Angebot, aber es muss auch passen. Ich will schauen, was besser zu mir passt: Cheftrainer, Co-Trainer, Technik-Trainer. Ich bin jedenfalls riesig gespannt. Ich freue mich sehr darauf. Den einen oder anderen Freistoß kann ich den Jungs noch zeigen. (schmunzelt)

Ihre Zeit bei 1860 von 1999 bis 2003 war überaus erfolgreich. Warum hat es für Sie bei den Löwen so gut gepasst? Sie waren der Liebling der Fans.
Das stimmt. (lacht) Es war ähnlich wie zu meiner Zeit in Italien. Die Verantwortlichen bei 1860 wollten mich schon vor meinem Wechsel zu Borussia Dortmund verpflichten. Ich kam dann ein Jahr später und bin begeistert aufgenommen worden. Ähnlich wie in Karlsruhe oder auch bei den anderen Stationen war es das Heimelige und Familiäre, was für mich bei Sechzig absolut gegeben war. Ich habe mich bei den Löwen unheimlich wohl gefühlt, habe in München auch meine jetzige Frau kennengelernt (aus erster Ehe mit Angela Häßler hat Häßler drei Kinder, d. Red.). Wenn alles passt im privaten Bereich, geht es mir gut und ich kann gute Leistungen bringen – das war schon immer so.

Für 1860 gab es am Wochenende den ersten Sieg seit November 2015. Dennoch passt in der aktuellen Saison wenig zusammen. Es droht der Abstieg in die 3. Liga. Wie groß ist Ihre Sorge um die Löwen?
Ich verfolge das natürlich immer noch sehr genau. Ich mache mir große Sorgen. Ich bin sehr traurig darüber, wie sich das alles entwickelt. Ich kann nur die Daumen drücken und hoffen, dass man noch irgendwie die Kurve kriegt. Es wäre wirklich jammerschade, wenn der Klub absteigen müsste. Andererseits wäre ein Abstieg auch eine Chance.

Wie bitte? Eine Chance?
Ja, weil man dann mit eisernem Besen da mal alles rauskehren könnte, was vom Fußball keine Ahnung hat. Es wäre eine Möglichkeit, ganz von vorne zu beginnen. Ich hatte vier wunderschöne Jahre bei 1860 und ich wünsche den tollen Fans dieses Traditionsvereins den Klassenerhalt. Aber es sieht nicht gut aus, es wird ganz eng. Die Situation ist bedrohlicher als in der vergangenen Saison, als man es in allerletzter Sekunde in der Relegation schaffte.

Sie sagen, man könne bei einem Abstieg alles rauskehren, was keine Ahnung vom Fußball hat. Meinen Sie damit Investor Hasan Ismaik?
Ich kann nicht sagen, ob der Mann dahin gehört oder nicht. Man muss sich bei den Löwen auf das Wesentliche konzentrieren. Den Verein hat immer ausgezeichnet, dass er Spieler aus der eigenen Jugend förderte. Damit konnten sich auch die Fans identifizieren. Vor allem sollte man aufhören, Spieler schnell mal von irgendwoher zu kaufen, wo sie meist auch nicht funktioniert haben. Das bringt den Verein nicht weiter.

Wie kann es besser werden?
Sechzig hat doch eine tolle Jugendarbeit, warum versucht man nicht dem einen oder anderen eine Chance in der zweiten Liga zu geben? Ich bin mir sicher, dass sich solche Jungs den Arsch aufreißen würden, damit der Verein wieder Stück für Stück nach oben kommt. Aber das ist Zukunftsmusik, die aktuelle Situation ist schwer genug. Man muss weiter dringend punkten, um da unten rauszukommen.

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