Drama dahoam: Der Löwen-Heimfluch

München - Ein „Befreiungsschlag“ sollte es für Trainer Torsten Fröhling werden – doch nach dem 0:1 im Heimspiel gegen Erzgebirge Aue muss der TSV 1860 den nächsten heftigen Rückschlag verarbeiten. Heftig, weil damit der direkte Konkurrent gestärkt wurde und zudem Abstiegskandidat St. Pauli zuhause 4:0 gegen Düsseldorf gewann. Dadurch haben die Löwen nur noch ein Pünktchen Vorsprung auf den direkten Abstiegsplatz und sind wieder in akuter Abstiegsnot. Denn anders als die Konkurrenz schafft es 1860 einfach nicht, den Heimvorteil zu nutzen. Die Löwen dahoam: ein Drama. Die AZ analysiert die Heimschwäche des TSV 1860, der mit nur zehn Punkten das mit Abstand schlechteste Heimteam der Liga ist.
Die Statistik: „Die Punkte im Abstiegskampf holt man zuhause, selten nur auswärts“, meinte Ex-Bochum-Trainer Peter Neururer kürzlich zur AZ. Der Blick in die Statistik gibt ihm Recht: Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel ist bisher immer das schwächste Heimteam direkt abgestiegen. Die Heimtabelle lässt nichts Gutes erahnen: So liegt man dort auf dem letzten Platz – bereits vier Punkte hinter Aue, sechs hinter Greuther Fürth und gleich acht hinter St. Pauli und dem VfR Aalen, obwohl man schon 14 von 17 Spielen vor eigener Kulisse ausgetragen hat.
Das Kopfproblem: Gegen Aue versuchten es die Löwen vorne gleich 24 Mal, doch kein Torschuss landete im Gehäuse. „Wir haben mit Platzpatronen geschossen, nicht mit scharfer Munition“, resümierte Sportdirektor Gerhard Poschner enttäuscht. „Das ist eine Kopfgeschichte.“
Denn spielerisch unterlegen waren die Löwen nur selten. Nur zwei der acht Heimniederlagen wurden mit mehr als einem Tor Differenz entschieden. Dass die Mannschaft in der zweiten Liga theoretisch zumindest mithalten kann, beweist sie in schöner Regelmäßigkeit in fremden Stadien. So stehen die Löwen in der Auswärtstabelle auf Rang acht.
Das Ungleichgewicht: Aus sportpsychologischer Sicht ist das Gefälle zwischen Heim- und Auswärtstabelle auffällig. „Man muss herauskriegen, woran es liegt“, meint Sportpsychologe und Professor Oliver Stoll, der eine mögliche Ursache für das Phänomen nennt: „Es hängt möglicherweise mit der hohen Erwartungshaltung zusammen. Wenn dass der Fall ist, kann es dazu führen, dass die Spieler die Situation nicht mehr als Herausforderung wahrnehmen, sondern als Bedrohung. Dann schaltet der Körper um, auf den Status Kampf oder Flucht. Das führt dazu das automatisierte Abläufe nicht mehr klappen.“
Angesichts des hohen Ziels, Meister werden zu wollen, das beim TSV 1860 vor der Saison ausgerufen wurden, wäre das ein plausibler Ansatz. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die einzigen beiden Heimsiege jeweils nach den Entlassungen von Ricardo Moniz und Markus von Ahlen eingefahren wurden. „Bei sowas kann ein Sportpsychologe helfen“, rät Stoll.
Der Arena-Fluch: Immerhin macht die Auswärtstabelle Hoffnung – denn aus wissenschaftlicher Sicht gibt es den klassischen Heimvorteil ja gar nicht. „Nach amerikanischen Studien liegen die Chancen bei 50:50“, sagt Stoll.
Auch von einem Arena-Fluch, der die Löwen im Stadion des roten Erzrivalen heimsucht, will der Experte nichts wissen: „Das glaube ich nicht wirklich. Es kann sein, dass es sowas in den Köpfen der Spieler gibt, aber sowas existiert nicht in der Realität. Eigentlich ist es egal, in welchem Stadion man spielt.“
Eine Aussage, die Markus Drees so nicht unterschreiben würde: „Als Wissenschaftler würde ich den Fluch verneinen. Aber es scheint halt schon was dran zu sein, dass man sich dann einen Fluch einredet, weil man es rational nicht erklären kann, warum man nur zwei von 13 Spielen gewinnt.“ Der hauptberufliche Chemiker ist nebenbei Vorsitzender der Fanorganisation „Freunde des Sechzgerstadions“ – und sieht die Arena in Fröttmaning als klaren Nachteil: „Es gibt einfach kein richtiges Hexenkessel-Gefühl.“