Die verrückte Geschichte um diesen 1860-Bademantel
München - Er hat Kai Bülow gesehen, wie der zum Relegations-Retter mutierte. Er musste miterleben, wie 1860 gegen Jahn Regensburg ins Tal der Tränen stürzte. Er durfte dabei sein, als sich Trainer-Ikone Daniel Bierofka, Torjäger Sascha Mölders und Co. gegen Saarbrücken zu Aufstiegshelden krönten. Aktuell hängt er im Schrank – doch sein nächster Einsatz soll bald folgen.
Die Rede ist von einem Fan-Utensil mit Kult-Status: Der Glücksbringer von Allesfahrer Roman Wöll, sein berühmter "Relegations-Bademantel". Das flauschige Teil mit dem Löwen-Wappen drauf erblickt das Tageslicht nur zu "ganz besonderen Anlässen", wie sein Besitzer erzählt. Das erste Mal beim Aufstiegsspiel 1994 in Meppen, als 1860 durch ein 1:0 in die Erste Liga zurückkehrte. Seitdem holt Wöll den Frottee-Glücksbringer nur raus, wenn es für seinen Herzensverein um etwas geht. Es ist ein Mantel für gewisse Stunden.
"Der Mantel darf nur raus, wenn es für die Löwen um die Wurst geht"
"Ich bin ein abergläubischer Mensch. Den Mantel habe ich über 20 Jahre, aber der darf nur raus, wenn es für die Löwen um die Wurst geht. Zu normalen Spielen bleibt er daheim, man darf sowas nicht verheizen", sagt Wöll der AZ über das Kleidungsstück, mit dem er den Fußballgott zu beschwören versucht. Was der normale Zeitgenosse als verrückt abstempeln würde, ist für Wöll, seine Allesfahrer-Gefährten Franz Hell und Fritz Fehling und sicher manch Sechzger-Spieler längst Kult geworden.

Wöll erinnert sich – mit Freude und Schrecken – an die drei K.o.-Krimis in seinem Relegationsmantel. "2015 gegen Kiel hat er mir Glück gebracht. Damals haben wir alle schon gedacht: 'Das wars!' Dann hat uns der Bülow in letzter Minute zum Klassenerhalt geschossen. Phänomenal", sagt der 65-Jährige über das Drama.
Am 30. Mai 2017 wackelten die abstiegsbedrohten Zweitliga-Löwen erneut, obwohl sie unter Vitor Pereira in der Winterpause zur Aufholjagd bliesen – und Wöll schon eine Aufstiegsrechnung mit der Optimalausbeute von 54-Rückrundenpunkten aufgestellt hatte. "Das war ein Witz. Das Hinspiel bei Jahn Regensburg ging noch, aber im Rückspiel hat es uns leider erwischt", erinnert sich Wöll an das doppelte Duell (1:1, 0:2), das 1860 ins Unglück stürzte.
1860-Allesfahrer Roman Wöll: "Ich wünsche mir einen blau-weißen Sarg"
"Meinen Mantel hab’ ich damals in eine Plastiktüte gepackt und einem Spezl mitgegeben. Ich war sehr enttäuscht, da habe ich ihn glatt verbannt", so Wöll über die Zweifel an seinem Textil-Talisman. Eine Spielzeit später musste Wöll, längst wieder eingehüllt in sein Glücksgewand, in den nächsten Entscheidungsspielen die Daumen drücken. "Gott sei Dank hat uns der Bierofka wieder rauf gebracht", so Wöll über den Relegations-Triumph gegen Saarbrücken (3:2, 2:2).
Und jetzt? Ginge es nach dem Edel-Fan, wäre es wieder an der Zeit, seinen Schrank aufzumachen. "Ich würde gerne wieder meinen Mantel auspacken", meint Wöll und scherzt: "Zur Not nehme ich den direkten Aufstieg." Das ist ja jetzt möglich, nachdem der DFB Wöll und seinen Sechzgern mit dem Re-Start der Dritten Liga am 30. Mai den größten Wunsch erfüllt hat. Übrigens ist der Bademantel längst nicht das einzige Ritual, auf das sich Wöll verlässt. "Ich ziehe nie was Rotes an, das versteht sich für mich als Blauer von selbst. Auf dem Weg ins Stadion laufe ich immer denselben Weg von daheim zur U-Bahn und ins Grünwalder."
Seine Löwen-Liebe geht so weit, dass der abergläubische, aber gläubige Allesfahrer seinen Mantel auf seinen letzten Weg mitnehmen möchte. "Da wissen die Leute Bescheid: Wenn ich mal sterbe, muss der Mantel mit ins Grab. "Ich würde mir auch einen weiß-blauen Sarg wünschen." Bis dahin würde er sich wünschen, mindestens ein Mal noch in den Mantel schlüpfen zu dürfen. Mit positivem Ausgang.
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