Die Sechziger im Grünwalder Stadion: „A bisserl menschlicher“

Am Samstag (19 Uhr) kehrt der TSV 1860 zum Heimatabend gegen Mallorca ins Sechzger Stadion zurück. Der alte Stadionchef erinnert sich an die Linien vom Reger Fonse, an die Wurstsemmeln vom Herrn Direktor und ein Malheur beim Taferlmann.
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Erich Driendl war 29 Jahre lang der Chef im Grünwalder Stadion
Gregor Feindt Erich Driendl war 29 Jahre lang der Chef im Grünwalder Stadion

Am Samstag (19 Uhr) kehrt der TSV 1860 zum Heimatabend gegen Mallorca ins Sechzger Stadion zurück. Der alte Stadionchef erinnert sich an die Linien vom Reger Fonse, an die Wurstsemmeln vom Herrn Direktor und ein Malheur beim Taferlmann.

Herr Driendl, erst einmal die Gewissensfrage. Wie sind Sie denn aufgewachsen? Als Blauer oder Roter?

Als Blauer. Groß geworden bin ich im Schlachthausviertel, Schmellerstrass’. Kennen’S die?

Logisch. Da hat’s mal eine schöne Wirtschaft gegeben.

Richtig, aber die gibt’s nimmer. Schöne Wirtschaften gibt’s ja eh kaum noch. Jedenfalls waren meine Spezl auch alle Sechzger, und darum bin ich halt auch einer geworden. Später hat sich das dann aber gelegt. Ich hab ja neutral sein müssen.

Ab 1966, als Stadionchef hoch droben in Giesing.

Ich bin ja vorher schon bei der Stadt gewesen, bis sie einen gebraucht haben, der sich um die ganzen städtischen Stadien kümmert. Das Dante, das Prinze, die Eisbahnen. Und das Sechzger. Dann haben sie mich gefragt und ich hab gleich gesagt, das mach’ ich.

Noch rechtzeitig zur Meisterfeier der Löwen?

Ja freilich. Am 7. Februar habe ich angefangt, und ab da bin ich dann allaweil dabei gewesen. Was hab’ ich mich gefreut, wo sie dann Meister worden sind, da ist’s zugegangen, da hast ja kaum noch was g’sehn von der Tribüne. Aber viel mehr Aufregung war dann 1971.

Warum denn? Da waren die Löwen doch schon wieder zweitklassig.

Nein, ich mein ja wegen dem Brandanschlag im Dachstuhl von der Tribüne am 31. Januar. Lichterloh hat’s brennt, das ganze Holz. Und am Tag drauf hätten die Sechzger spielen sollen gegen Aschaffenburg. Da is’ drunter und drüber gegangen, der Vogel war da, der Bürgermeister, und am Schluss haben sie g’sagt, guad, die Sechzger sind so gut in Schwung, dann lassen wir sie halt spielen.

Und?

Die Tribüne war zwar gesperrt, aber die Sechzger haben 3:1 gewonnen. Oder wissen’S, woran ich auch noch gern denk’?

Verzähln’s.

Wie wir immer Schnee geräumt haben im Winter, da haben wir alle zammgeholfen, dass wir wenigstens die Tribünen freischaufeln.

Und den Platz nicht?

Den hat der Reger Fonse g’macht.

Ah, der alte Platzwart.

Genau der. Der Fonse hat ja auch keinen anderen drauf lassen. Der ist ihm heilig gewesen. Er hat immer g’sagt: „Ihr macht’s die Tribünen, i mach an Platz.“ Und wie schön er ihn g’macht hat, auch wenn Schnee drauf war. Die Linien waren immer ganz grad. So einen Hakler, so eine Schwanzllinie hat’s beim Fonse nicht gegeben. Der Fonse. Den treffe ich heut’ immer noch.

Und, geht’s ihm gut?

Ja, ja. Der denkt auch immer noch gern an die Zeit. Besonders gefreut hat’s mich, dass die Sechzger wenigstens im letzten Jahr vor meiner Pensionierung noch einmal in der Bundesliga gespielt haben. Da is’ dann nochmal richtig Remmidemmi gwesen.

Auch jetzt wollen die Sechzger wieder zurück in die Bundesliga. Und die Fans zurück nach Giesing.

Ich weiß schon, weil Giesing für sie halt die Heimat ist. Und weil sie draußen in der Allianz in Fröttmaning das nur mit Hängen und Würgen durchkriegen mit den Finanzen. Sechzig ist ja auch der Münchner Stadtverein schlechthin, eigentlich gehören die nach Giesing. Nur seh’ ich da keinen Weg zurück.

Weil?

Weil die Stadt das Geld nicht aufbringen wird, um das wirklich gescheit von Grund auf herzurichten. Schauen Sie sich das doch mal an, wie das ausschaut. Der Beton, wie der bröckelt, die Umkleidekabinen, die sind auch marod. Und oben im ersten Stock, im VIP-Bereich, da stehen die Querträger so tief, dass du dir permanent den Kopf anhaust, wenn du zu weit links gehst.

Wie oft haben Sie sich den Schädel angehauen?

Wenn’s pressiert hat, dann oft. Dann hab ich mir immer wieder einen sauberen Binkel eingefangen, im Winter war’s ned ganz so schlimm.

Warum?

Da hab’ ich dann meistens einen Hut aufgehabt. Aber das können Sie doch heute keinem mehr anbieten. Da lacht der VIP doch. Die ganzen G’spickten, die es sich leisten können, von denen mag doch jeder seine Loge haben wie in der Allianz, wo er hinter einer Glasscheib’n sitzt und das Spiel auf einem Bildschirm anschaut und sich von den Kellnern bedienen lässt. Bei uns im Sechzger hat’s das nicht gegeben, da sind die ganzen wichtigen Leut’, auch der Herr Direktor, mitten unter den normalen Leut’ auf der Haupttribüne gesessen. Und wenn der Herr Direktor Hunger und Durscht g’habt hat, da ist dann kein Catering-Service vorbeigekommen, da ist er runter ans Standl, hat sich ang’stellt und hat sich dann seine Wurschtsemmel und sein Bier gekauft. Im Sechzger war alles a bisserl menschlicher.

Hört sich nach Wehmut an.

Mei, so ist die Zeit halt. Man kann’s ja nicht ändern. Es war da einfach was ganz besonders, allein schon, wie nahe du am Spielfeld gesessen bist. Wenn die Spieler ihre Stutzen runterlassen haben, hast ihre Krampfadern gesehen, und wenn der eine zum anderen „Bläda Hund“ g’schrien hat, dann hast du’s auch gehört. Oder den Taferlmann, der die Ergebnisse immer mit der Hand aufgehängt hat, weil wir keine elektronische Tafel gehabt haben. Taferlmänner hat’s ja auch immer verschiedene gegeben.

Waren Sie selbst auch mal Taferlmann?

Nein, das nicht, aber ich hab’ einmal hoch müssen, weil ich gesehen hab’, dass er die falsche Zahl aufgehängt hat. Das ist ihm dann recht arg gewesen, aber die Leut’ haben eine Gaudi g’habt. War da oben schon eine sakrisch schöne Zeit, ich hätt’s nicht missen wollen. Es war einzigartig. Wissens, so was wie des Sechzger, das gibt’s auf der Welt kein zweites Mal mehr.

Interview: Florian Kinast

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