"Die Löwen sind mein letzter Verein"
1860-Mittelfeldstar Daniel Bierofka über seine Zukunft, Fußballspielen mit seinem Sohn, den Schock um Göktan - und das Familienfest Weihnachten.
AZ: Sie haben kürzlich ein Zentrum für trauernde Kinder besucht und den Kindern Geschenke gebracht. Wie war das für Sie, Herr Bierofka?
DANIEL BIEROFKA: Ich hatte ja selber schon mal einen Todesfall in der Familie. Vor vier Jahren ist meine Großmutter gestorben, und deswegen konnte ich schon ein bisschen nachfühlen, wie es den Kindern gehen muss. Auch, wenn es für Kinder noch um einiges schlimmer sein muss, wenn sie ein Familienmitglied verlieren. Wenn man diese Schicksalsschläge mal aus der Nähe mitbekommt, dann sieht man wieder, was wirklich wichtig ist im Leben. Mir hat das auch geholfen, mein eigenes Leben wieder richtig einzuschätzen.
Wie meinen Sie das?
Na ja, mein Beruf ist Fußballprofi. Ich habe unheimlich viel Glück gehabt. In meiner Familie ist gerade jeder gesund, ich habe keine größeren Probleme.
Die Bierofkas gelten als sehr enge Familie.
Ich finde, das sollte in jeder Familie so sein. Eine Familie muss zusammenhalten. Bei uns ist das so. Unsere Familie ist ganz eng zusammen. Und ich bin froh, das wir Weihnachten Gott sei Dank ohne größeren gesundheitlichen Probleme feiern können.
Feiern Sie alle zusammen?
Meine Eltern werden auf jeden Fall zu uns kommen, mein Opa hoffentlich auch. Der ist schon ziemlich alt, da müssen wir sehen, inwieweit wir ihn transportieren können. Ansonsten fahren wir dann alle zu ihm.
Wie ist Weihnachten im Hause Bierofka?
Richtig traditionell, würde ich sagen. Zuerst sitzen wir alle zusammen und dann klingelt irgendwann einer, wahrscheinlich meine Mutter. Das machen wir natürlich vor allem für meinen Sohn David. Das ist jetzt das zweite Weihnachtsfest, das er so richtig mitbekommt. Wir wollen jetzt auch den Baum zusammen aufstellen.
Und dass es Geschenke gibt, weiß David auch?
Ja, ja. Der ahnt schon, dass er da was kriegen könnte. Ich denke, Weihnachten bei den Bierofkas ist so wie bei allen anderen auch.
Hatte Ihre Rückkehr nach München eigentlich auch etwas damit zu tun, dass David in München aufwachsen sollte?
Direkt nicht. Das hatte eher etwas mit meiner gesundheitlichen Situation damals zu tun. Wenn ich nicht so lange verletzt gewesen wäre, dann wären wir jetzt vielleicht noch woanders. Aber David war sicherlich noch ein Grund mehr, wieso wir dann unbedingt zurück nach München wollten. Meine Eltern hätten David auch weniger gesehen, wenn wir nicht in München gewesen wären. Und natürlich freuen wir uns jetzt umso mehr, dass David in München, in unserer Heimat, aufwachsen kann.
Spielt er schon Fußball?
Er schießt schon alle möglichen Bälle durch die Gegend. Ich passe immer auf, dass die Bälle möglichst weich sind, damit er nicht allzuviel zerstören kann im Haus. Er ist auch oft im Stadion und weiß schon, was der Papa macht.
Spielt er mehr mit dem Opa oder mit dem Papa?
Wenn der Opa da ist, dann gibt es natürlich keine wichtigere Person für ihn. Der Papa ist ja sowieso die meiste Zeit zu Hause. Ich warte noch drauf, dass wir mal alle drei zusammen Fußball spielen.
Sie waren auch in dieser Vorrunde lange verletzt, haben ihre 15. Operation hinter sich...
Ja, die meisten Knochen waren schon mal gebrochen bei mir. Beide Mittelfüße, ein paar Rippen, dann hatte ich zwei Bandscheiben-OPs. Oder die Kahnbeine hier an der Hand. Die wurden noch nicht mal operiert. Aber das finde ich nicht schlimm, ich kann noch jeden Tag auf dem Platz stehen.
Zuletzt haben Sie nur acht Wochen nach der Bandscheiben-OP Ihr Comeback gefeiert. Letzte Saison haben sie trotz eines Bänderrisses weitergespielt. Halten Sie mehr Schmerz aus als andere?
Vielleicht habe ich zu Verletzungen ein anderes Verhältnis als die anderen. Verletzungen gehören für mich zu meinem Beruf. Eine Verletzung ist für mich eine Herausforderung. Ich akzeptiere sie und setze mir dann ein Ziel, bis wann ich wieder fit sein möchte.
Haben Sie keine Angst, dass Ihr Körper am Ende Ihrer Karriere ziemlich geschunden sein wird?
Ach, das ist doch jetzt schon so. Ich habe den Knochen eines Toten im Knie, eine Schraube im Fuß, zwei Bandscheiben-Vorfälle. Aber solange ich noch jeden Tag aufstehen kann ohne größere Schmerzen, ist das alles kein Problem. Ich will noch fünf, sechs Jahre spielen.
Es bleibt auch dabei, dass Sie 1860 nicht mehr verlassen werden?
Auf jeden Fall. Die Löwen sind mein letzter Verein. Ich habe hier einen Anschlussvertrag als Jugendtrainer, das ist doch perfekt.
Das Ziel ist, Trainer zu werden wie Ihr Vater?
Von meinem Vater werde ich sicherlich einiges übernehmen können, was Trainingslehre und Übungen anbelangt. Er ist ein Vorbild für mich. Ich möchte auch auf keinen Fall im Profibereich arbeiten später. Das will ich mir nicht antun. Ich will im Jugendbereich arbeiten, am liebsten hier bei Sechzig.
Als Berkant Göktan wegen der Kokain-Affäre gefeuert wurde, wie hat das die Mannschaft damals wirklich aufgenommen?
Die ersten Tage waren für keinen von uns leicht. Wir waren alle geschockt. Keiner von uns hatte vermutet, dass da so etwas Schlimmes im Busch sein könnte. Mir tut es sehr leid für ihn. Ich hoffe, dass er nochmal die Kurve kriegt und irgendwann wieder ein Comeback starten kann.
Haben Sie nichts geahnt?
Nein, wir wussten nur, dass er verletzt ist und in Behandlung ist. Deswegen war der Schock auch so groß, als die Geschichte dann rauskam.
Aber haben Sie sich nicht gewundert, dass er damals so abgetaucht war, dass er nie auf dem Trainingsgelände aufgetaucht ist?
Gewundert schon ein bisschen. Ich dachte eben, dass es ihm nicht so gut ging, dass es ihm vielleicht noch schlechter gehen würde, wenn er uns trainieren sehen würde. An Drogen oder so etwas habe ich nie gedacht.
Wissen Sie, ob einer aus der Mannschaft noch Kontakt zu ihm hat?
Nein, wir haben keinen Kontakt zu ihm. Ich glaube, das will er auch nicht. José Holebas hat noch ein paar Mal versucht, ihn anzurufen. Aber er ist nie rangegangen. Ich wünsche ihm einfach das Beste. Man sieht an Berki auch, dass Fußballer auch nur Menschen sind. Auch Fußballer sind manchmal labil und machen Fehler. Das schlimme bei Berki ist, dass er wusste, was passieren würde. Er war doch schon mehrere Male ganz unten. Das ist die eigentliche Tragödie.
Hätte 1860 das verhndern können?
Nein, wir wussten ja nichts. Wenn wir das gewusst hätten, dann wäre es vielleicht anders gekommen. Aber zu uns war er immer ganz normal.
Interview: Filippo Cataldo