Die Liga gegen die Löwen

Während der TSV 1860 an seiner Rettung arbeitet, muss die Vereinsführung heftiger Kritik der Konkurrenz einstecken. Präsident Dieter Schneider wehrt sich.
München - Fast hätte Dieter Schneider noch ein Taschentuch aus seiner Jackentasche gezückt und sich ein paar Tränen abgetupft. Ganz so kitschig wurde es zwar nicht, dennoch fiel es dem Präsidenten des TSV 1860 am Donnerstagmittag sichtlich schwer, den Mannschaftsbus in der Gewissheit vom Trainingsgelände rollen zu sehen, dass er selbst am Freitag in Frankfurt beim Auswärtsspiel der Löwen nicht dabei sein wird. „Das tut mir weh“, sagte Schneider. „Aber es gibt zu viel zu arbeiten. Da kann ich mir einen halben Tag auf der Autobahn nicht leisten.“
Schneider feilt weiterhin mit Hochdruck an einem Finanzmodell, das die nächsten Jahre der Löwen sichert. Sowohl der Einstieg des willigen Investors Hasan Ismaik als auch die Gemeinschaftshilfe verschiedener Banken wird vorangetrieben. „Stillstand“, sagt Schneider, „gibt es bei uns nicht. Wir kommen jeden Tag einen Schritt voran.“ Da kam es dem 63-Jährigen als unterstützende Hilfe gerade recht, dass er Mitte der Woche eine E-Mail von Ismaik erhielt, in der der Jordanier die in der „SZ“ veröffentlichte Bedingung seines Einstiegs abschwächte. Ursprünglich hatte der Araber die Löwen wissen lassen, dass er einem Deal nur zustimme, sollten die Löwen-Gläubiger freiwillig auf 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Dazu sagte Schneider nun: „Die Wirklichkeit sieht für uns deutlich freundlicher aus. Öffentlich wird vieles dramatischer dargestellt, als es ist.“
Was den Löwen jedoch mehr und mehr aufs Gemüt schlägt, ist die ligaweit immer schärfer werdende Kritik am möglichen Investoren-Einstieg. Vor dem Duell am Freitagabend sagte FSV-Frankfurt-Trainer Hans-Jürgen Boysen der „Frankfurter Rundschau“: „Für mich ist das ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung“. Im „Kicker“ schob Dirk Rasch, der Präsident des VfL Osnabrück, nach: „49 Prozent sind in so einem Fall wie 51 Prozent, da wird der Verein von einem Investor übernommen. Wenn das mit Financial Fair Play gemeint ist, dann Gute Nacht.“ Und neben Düsseldorfs Vorstand Peter Frymuth und Cottbus-Trainer Pele Wollitz, die beide von „Wettbewerbsverzerrung“ sprachen, klagte Oberhausens Präsident Hajo Sommers erneut an: „1860 hat sich Spieler geleistet, weil sie Anfang der Saison keinen Taschenrechner hatten. Jetzt haben sie einen Scheich, und alles wird gut.“
Schneider gibt sich ob der vielen Vorwürfe beste Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Er sagt: „Menschlich habe ich Verständnis für diese Klagen. Es ist schwer, wenn man selbst hart zu kämpfen hat. Aber ich kann versichern, dass wir keine Vorzugsbehandlung der DFL genießen.“ Auch wenn ihm die heftige Kritik aus der gesamten Republik nahegeht, Schneider will sich dadurch nicht von seinem Kurs abbringen lassen, er erklärt: „Nur weil die anderen Vereine keinen möglichen Investor an der Hand haben, kann ich doch nicht sagen, wir machen es nicht. Ich kann das Geschäft doch nicht sausen lassen, nur weil die Liga das anscheinend so will. Ich gehe ja nicht hausieren, sondern muss allein aus der Not des Vereins handeln und bin dazu gezwungen, die beste Lösung für 1860 zu erzielen.“
Freilich ist es während der kritischen Verhandlungen zur Rettung des Vereins nicht von Vorteil, „dass man jeden unserer Schachzüge in der Öffentlichkeit nachlesen kann“, wie Schneider erklärt. „Wir haben nun mal bundesweite Aufmerksamkeit. Viele Leute, die uns kritisieren, könnten ähnliche Verhandlungen wohl ohne Öffentlichkeit durchführen. Da würde vielleicht ein Investor einsteigen, und keiner bekäme was mit.“