Die große Löwen-Debatte: Sechzig ist Giesing

Mücnhen - Was wäre Giesing ohne die Löwen, und was wären die Löwen ohne Giesing? Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe AZ-Café im Kaffee Giesing ging es nochmal um das, wie AZ-Chefredakteur Arno Makowsky eingangs sagte, „wichtigste Thema in diesem Stadtteil“. Und so verwunderte auch nicht, dass die Diskussion über den TSV 1860 auch die meistbesuchte war im AZ-Café. Sogar der erholt aussehende Ex-Präsident Dieter Schneider war aus Markt Indersdorf nach Giesing gekommen. „Das wollte ich mir nicht entgehen lassen“, sagte er.
Mit Makowsky und AZ-Sportchef Gunnar Jans diskutierten auf dem Podium 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer, Kapitän Benny Lauth, Stadionsprecher Stefan Schneider, Kultfan und Allesfahrer Franz Hell, der seit Anfang der Siebziger Jahre kein einziges Löwen-Spiel verpasst hat und Roman Beer, der zweite Vorsitzende der Fanvereinigung „Pro 1860“. Auf dem Weg ins Kaffee Giesing hatte Beer gelesen, dass die AZ ihn als „größtes Funktionärstalent“ bei den Löwen und „Präsident der Zukunft“ bezeichnet hatte. Beer fühlte sich geehrt, sagte aber postwendend ab. „Ich bin zu jung. Und außerdem ist die Situation derzeit viel zu verfahren.“ Er meinte: Den Streit mit Investor Hasan Ismaik. Mal wieder.
Dass bei 1860 das Chaos irgendwie immer dazugehört, weiß wohl keiner besser als Hell. Und so sorgte der langjährige Delegierte gleich zu Beginn für Lacher im Saal, als er erzählte, dass er „zum ersten Mal 1973 eine ähnliche Situation“ erlebt hätte. Hell: „Damals wurde zum ersten Mal von einem Dreijahresplan gesprochen und ich war damals schon skeptisch, dass sowas funktionieren kann.“ Trainer damals war übrigens Fußball-Weltenbummler Rudi Guttendorf. Auch der war mal an der Grünwalder Straße aktiv. Ein wenig Hoffnung machte Hell den anwesenden Gästen aber dann doch: „Wir haben noch schwierigere Zeiten gehabt als zur Zeit.“
Damit waren die Gäste auch gleich im Thema. Warum, so die Frage der AZ, sollten Kinder heute überhaupt noch Löwen-Fans werden, wo doch der FC Bayern so viel mehr Erfolg hat? Stefan Schneider, der Erfinder des Claims „Münchens große Liebe“ dazu, gewohnt wortgewaltig: „Fußball ist Charaktersache. Es macht oft Spaß, dem Schwächeren zu helfen. 1860 ist für mich München und nicht der FC Bayern. Egal, was passieren wird, es kann auch noch schlimmer werden, ich geh zu Sechzig.“ Und Lauth verriet, dass er schon als Kind Fan des Klubs wurde, den er heute als „große Familie“ empfindet. Schuld war damals der Vater, ein eingefleischter Sechzger. Und Lauths erster Besuch im Grünwalder Stadion, ein paar Wochen nach seinem ersten Training in der Jugendmannschaft. „Von dem Moment war ich auch ein Sechzger.“
Das Grünwalder Stadion, im Volksmund ohnehin nur „Sechzger“ genannt, ist gleichzeitig Heimat wie Sehnsuchtsort der Löwen. Dass sich die Sechzger mittlerweile auch wieder etwas mehr mit Giesing als Heimat identifizieren, liegt auch an Fans wie Beer. Der Architekt hat ein Buch geschrieben über das Stadion und ist gleichzeitig auch Vorsitzender der „Freunde des Grünwalder Stadions“. Doch den Glauben daran, dass die Profis irgendwann mal wieder im Sechzger spielen, scheint auch Beer mittlerweile verloren zu haben. „Da mach’ ich mittlerweile auch ein großes Fragezeichen dahinter“, sagte er.
Dennoch hält Beer ein leidenschaftliches Plädoyer für die Besinnung an die Wurzeln des Klubs, mit großem Selbstbewusstsein: „Europacup im Grünwalder Stadion, auf diesen Traum könnten sich wohl alle Fans einigen.“ Der Weg müsse sein, sportlichen Erfolg zu erreichen, die Identität zu stärken, sich auf das Bayerische im Klub zu besinnen und sich dabei auf die lokale Verwurzelung berufen. „Es sollte jedem Löwen-Fan klar geworden sein, dass es keine Zukunft gibt in der Allianz Arena für Sechzig und dass Giesing die Heimat der Löwen ist“, sagte Beer.
Da nickten alle auf dem Podium, einschließlich Schäfer, der zugab: „Ein eigenes Stadion hier im Viertel wäre das Beste.“ Fakt aber wäre, dass der Klub sich für den Umzug in die Allianz Arena entschieden habe und „wir nicht immer den „Himmel auf Erden versprechen“ könnten. Für heftiges Stirnrunzeln bei Schäfer und entschiedenen Widerspruch bei Schäfer sorgte dann Hell, als er feststellte, dass die Löwen „34 Auswärtsspiele“ in der Saison hätte und angesichts von oft nur „15000 Zuschauern in der Arena“ bisweilen „ in der Aussegnungshalle am Ostfriedhof mehr los“ sei.
Die Gemüter erregten auch die ständigen Querelen mit Investor Hasan Ismaik. Ebenso die jüngste Nicht-Bestätigung von Münchens Dritten Bürgermeister Hep Monatzeder als 1860-Präsident und die Frage, wer nun Präsident werden könne beim Löwen. Während Beer für einen „Cut mit dem Investor“ plädierte, forderte Hell Schäfer auf, noch einmal auf den Investor zuzugehen. Der schob die Schuld weiter. „Unsere Hand ist offen.“ Am Ende gab’s dann noch einige Wunsch-Schlagzeilen: „Da muss ich nicht lange überlegen“, sagt Benny Lauth: „Sechzig steigt auf!“ Und Stadion-Freund Roman Beer setzte noch einen drauf: „Sechzig kehrt zurück nach Giesing.“