Die blaue Schmach
MÜNCHEN - Der FC Bayern gewinnt den Catering-Prozess. 1860 muss blechen, Rummenigge höhnt über „Schalatanerie“ des Stadionmieters. Die AZ beantwortet jetzt die wichtigsten Fragen.
Ein kurzer Prozess, in nicht einmal vier Minuten hat der TSV 1860 viel, wenn nicht alles verloren. Das Urteil im rot-blauen Gerichtsderby, das Richterin Elisabeth Waitzinger gestern im Landgericht im Namen des Volkes verkündete, war eine der bittersten Pleiten für 1860 überhaupt. Der FC Bayern hat im Catering-Streit in allen Punkten recht bekommen, 1860 muss nun 542344 Euro, also jene Summe, die eigenmächtig einbehalten wurde, an die Allianz Arena Stadion GmbH zurückzahlen. Dazu kommen die aufgelaufenen Zinsen, die Gerichtskosten – und die Gewissheit, dass die Arena, die den Klub jährlich 5,5 Millionen Euro kostet, ihnen weiter den Atem abschnüren wird. Die blaue Schmach. Die wichtigsten Fragen:
Wieso hat das Landgericht den Bayern recht gegeben?
1860 hatte argumentiert, dass die Stadion-Gesellschaft und der FC Bayern bei den Verhandlungen die finanzielle Notlage der Löwen schamlos ausgenutzt und ihnen einen zu teuren und somit sittenwidrigen Vertrag aufgezwungen hätte. „Die Verträge wurden von Voll-Kaufleuten ausgehandelt und unterschrieben“, sagte nun Waitzinger, „Verträge zwischen Kaufleuten sind – bis auf ganz wenige Ausnahmen – nie sittenwidrig.“ Auch habe Bayern nicht seine marktbeherrschende Lage ausgenutzt. Denn 1860 hätte einst freiwillig auf das Olympiastadion als Spielstätte verzichtet. Somit verstoße der Vertrag auch nicht gegen das Kartellrecht. „1860 hat sich der Alternative Olympiastadion selbst beraubt“, so die Richterin.
Was bedeutet das Urteil für 1860?
Die Erfolgsaussichten für das Verfahren über den Verkauf der Stadionanteile, das die Löwen zusätzlich gegen den FC Bayern angestrengt haben, dürften nun gen Null tendieren. Die Löwen argumentieren, dass die vom damaligen Geschäftsführer Stefan Ziffzer für 11 Millionen Euro an den FC Bayern verkauften Stadionanteile viel zu niedrig bewertet wurden; die Anteile seien 20 Millionen Euro wert gewesen. Die rund 13 Millionen Euro, auf die die Löwen im Erfolgsfall beider Prozesse hätten hoffen können, kann man nun wohl vergessen.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Rechtsstreit war ein wesentlicher Bestandteil von Manfred Stoffers’ Sanierungskonzept für 1860. Der Geschäftsführer wurde vom Urteil kalt erwischt, bis Mittwoch war er fest von einem Sieg ausgegangen. In einigen Foren forderten Fans schon Stoffers’ Rücktritt. 1860 behält sich vor, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
Präsident Rainer Beeck sprach von einem verpassten „Befreiungsschlag“. Nun müsse man versuchen, „weiterhin mit knappen wirtschaftlichen Mitteln daran arbeiten, den TSV 1860 sukzessive wirtschaftlich und damit auch sportlich wieder nach vorne zu bringen.“
Dies muss nun Coach Reiner Maurer ausbaden: Schon in der Finanz-Prognose für das aktuelle Geschäftsjahr schrieb Stoffers, dass Transfererlöse von 4,5 Millionen Euro nötig wären. Durch die Verkäufe von Peniel Mlapa und Jose Holebas wurden bisher rund 2,2 Millionen Euro eingenommen. Der Verbleib von WM-Teilnehmer Antonio Rukavina bei 1860 scheint nun unmöglich. Auch Mate Ghvinianidze, Stefan Aigner oder Aleksandar Ignjovski könnten zur Disposition stehen.
Video: Das sagen die Löwen-Fans
Die Einnahmen aus der Löwen-Anleihe müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Zumal es ungewiss scheint, ob vor allem Großanlegern diese Investition nun nach dem Urteil noch sicher genug ist. Ein Misslingen der Anleihe wäre für die Löwen „bestandsgefährdend“, wie Stoffers schon im Wertpapierprospekt zugegeben hat.
Wie reagierte der FC Bayern? Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: „1860 hat den Prozess mit Pauken und Trompeten verloren. 1860 hat die Medien über Monate fehlinformiert, da ist eine Scharlatanerie betrieben worden, die hanebüchen ist“, sagte er.
Können die Löwen noch in der Arena bleiben?
Der Mietvertrag läuft noch bis 2025, lange leisten können sich die Löwen das Stadion aber nicht mehr. Zumal die Bayern nach dem Rechtsstreit den Löwen kaum noch einmal Zugeständnisse im Mietvertrag machen werden. Ein Umzug ins Olympiastadion wäre 2011/2012 möglich, die Stadt München hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Wenn jemand von 1860 kommen sollte und eine saubere und faire Lösung anbietet, stellen wir uns nicht entgegen“, sagt Rummenigge. Und: „Dass die einen Umzug ins Olympiastadion, in die Stätte der großen Triumphe des FC Bayern, jetzt als große Lösung präsentieren, belustigt mich.“ Wer den Schaden hat...
F. Cataldo, F. Kinast