Die blaue Kapitulation: Löwen-Boss Stoffers gibt auf

MÜNCHEN - Nach dem verlorenen Catering-Prozess tritt der Geschäftsführer zurück – um den Gesprächen mit den Bayern nicht im Weg zu stehen. Hoeneß: „Strategie der Stärke ist grandios gescheitert“.
Nein, zu sprechen war Manfred Stoffers nicht. Weder am Mittwoch direkt nach dem glatt verlorenen Catering-Prozess gegen die Stadion-GmbH, noch am Donnerstag. Der sonst so wortgewaltige Löwen-Geschäftsführer ließ nach dem Desaster vor dem Landgericht München I Pressemitteilungen verschicken – per E-Mail. Am Mittwoch mit weitgehend belanglosem Text. Tags darauf folgte die Sensation. Am späten Donnerstagnachmittag, exakt um 18.40 Uhr, trudelte die E–Mail in der AZ-Sportredaktion ein – und der Inhalt ist, wenn auch nicht sonderlich überraschend, ein Hammer: Manfred Stoffers kapituliert. Er tritt als Geschäftsführer des TSV 1860 zurück.
„Ich ziehe die persönlichen Konsequenzen aus dem verlorenen Rechtsstreit", lässt sich der 56-Jährige zitieren. Und weiter: „Das Urteil ist natürlich enttäuschend und ich habe es so nach dem Prozessverlauf nicht erwartet.“ Tatsächlich war der erhoffte Erfolg in diesem Prozess – neben der Ausgabe der so genannten Löwen-Anleihe anlässlich des 150. Vereinsjubiläums – die tragende Säule in Stoffers’ Konzept zur finanziellen Konsolidierung des finanziell klammen Zweitligisten.
Die laufenden Kosten für den Spielbetrieb in der Arena – rund 5,5 Millionen Euro pro Spielzeit (3 Millionen fürs Catering, 2,5 Millionen für die Miete) – stellen den TSV 1860 Saison um Saison vor nahezu unlösbare Geldprobleme. Um dieses strukturelle Defizit auszugleichen, hat der Ausverkauf von Talenten – zuletzt die Bender-Zwillinge, Fabian Johnson und Peniel Mlapa – Tradition bei den Blauen.
Nun gibt der streitbare Stoffers – von den einen als mutiger Retter gefeiert, von den anderen als Dampfplauderer verhöhnt – nach eineinhalb Jahren auf. Jedoch nicht, ohne seine Strategie nochmals zu verteidigen. „Im Sinne des TSV 1860 war es nach meinem Amtsverständnis erforderlich, die für den Verein äußerst belastenden Stadionverträge anzugreifen“, schreibt er in seiner Rücktrittserklärung. „Den nun dringend gebotenen Gesprächen zur Lösung der Stadionproblematik zwischen den Verantwortlichen des FC Bayern und des TSV 1860 möchte ich nicht im Wege stehen.“
Tritt Stoffers somit zurück, weil er glaubt, dass die Bayern mit ihm persönlich ein Problem haben? Bayern-Präsident Uli Hoeneß jedoch sagte gestern Abend zur AZ: „Die Löwen haben die Strategie der Stärke versucht, das ist grandios gescheitert.“ Jedoch sagte er auch in Bezug auf Stoffers: „Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht nachtragend bin.“
Oder tritt Stoffers zurück, um sich den Canossa-Gang zu ersparen? Bereits am Mittwoch hatte Bayerns Boss Karl-Heinz Rummenigge – eindeutig auf Stoffers gemünzt – gesagt: „1860 hat den Prozess mit Pauken und Trompeten verloren. 1860 hat die Medien über Monate fehlinformiert, da ist eine Scharlatanerie betrieben worden, die hanebüchen ist.“
Oder sieht der zurückgetretene Geschäftsführer nach dem klaren Urteil keine Chance mehr, 1860 vor der drohenden Insolvenz zu bewahren? Selbstverständlich findet sich hierzu in seiner Erklärung nichts. Vielmehr lässt Stoffers verlauten: „Es ist eine der schwersten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Ich bin aber überzeugt, dass es für den Verein in dieser Situation die beste Lösung ist.“
Dies sieht Präsident Rainer Beeck anders. Er hatte in langen Gesprächen versucht, den 56-Jährigen zum Bleiben zu bewegen – ohne Erfolg. „Leider war es uns nicht möglich, unseren Geschäftsführer zur Weiterführung seiner Aufgabe zu bewegen“, ließ Beeck mitteilen. Natürlich „akzeptiere“ und „respektiere“ man dessen „persönliche Beweggründe, die ihn letztendlich zu diesem Entschluss gebracht haben“.
Wie es weitergehen soll bei den Löwen, darüber sprach Flughafen-Manager Beeck nicht. Ob er selbst die entscheidenden Besuche an der Säbener Straße in Angriff nimmt? Auch darüber kein Wort. Schließlich geht es darum, die Zustimmung des FC Bayern für eine Rückkehr ins Olympiastadion – die Stadt hat bereits Bereitschaft signalisiert – zur Saison 2011/2012 zu erhalten.
Wer Stoffers Nachfolger wird, ist ebenfalls unklar. Zumindest gibt es eine Interimslösung: Der Leiter der Abteilung Finanzen und Controlling, Thomas Maier, übernimmt den Posten kommissarisch. Maier ist 31 Jahre alt und stieg direkt nach seinem Uni-Abschluss 2009 zum Finanzchef auf. Lange wird er nicht im Amt bleiben – und doch fragt sich: Wer mag sich diesen Job, der einem Himmelfahrtskommando gleicht, jetzt antun?
Jochen Schlosser, Filippo Cataldo