Derbyheld Thomas Riedl: "Ein sehr ängstliches Spiel der Löwen"

Thomas Riedl, Derbyheld von 1999, spricht in der AZ über die Negativserie des TSV 1860, Erinnerungen an Kult-Trainer Werner Lorant und Sechzigs letzte Aufstiegshoffnung. "Das ist alles eine Kopfsache."
von  Matthias Eicher
"Gegen Halle war's leider viel zu zahnlos", sagt Riedl über die Leistung der Löwen.
"Gegen Halle war's leider viel zu zahnlos", sagt Riedl über die Leistung der Löwen. © sampics/Augenklick

München - AZ-Interview mit Thomas Riedl: Der heute 45-Jährige spielte von 1999 bis 2001 beim TSV 1860 und schoss die Löwen '99 auch zum 1:0-Derbysieg gegen den FC Bayern.

Thomas Riedl zu Sechzig gegen Halle: Wenig Mut und Courage

AZ: Herr Riedl, wie geht's Ihnen nach Ihrem Montagabend-Programm in Giesing?
THOMAS RIEDL: Danke, mir geht's gut. Das kann aber in München wohl nicht jeder von sich behaupten: Schade, dass die Löwen verloren haben. Es war schön, mal wieder vorbeizuschauen. Aber ich hätte mir natürlich gewünscht, wenn ich schon live im Grünwalder Stadion dabei bin, dass Sechzig auch gewinnt.

Wie fällt denn Ihre Haupttribünen-Analyse aus?
Ich habe ein sehr ängstliches Spiel der Löwen gesehen. Mit Mut und Courage hatte das nicht viel zu tun. Leider hat der TSV auch nicht gut Fußball gespielt: Die Situationen nach vorne wurden nicht gut ausgespielt. Man muss aber schon sagen: Der Elfmeter zum 2:0 fällt in die Kategorie "fragwürdig". Die schlechten Ergebnisse der letzten Wochen haben da sicher auch dazu beigetragen. So war's leider viel zu zahnlos gegen Halle.

Thomas Riedl
Thomas Riedl © imago/Jan Huebner

Riedl: Derbyniederlage gegen Türkgücü schmerzt extrem

Wenn wir schon mit dem großen Derby-Helden des Jahres 1999 sprechen: Sie schossen die Löwen damals zum Sieg gegen die großen Bayern, zuletzt hat Sechzig auch das Stadtduell gegen Türkgücü verloren. Was sagen Sie dazu?
Es hat doch keiner Bock, nach einem Derby als Loser durch München zu laufen. Zum Glück haben wir damals endlich mal einen Sieg geschafft. Es tut schon weh, dass 1860 jetzt sogar gegen Türkgücü verloren hat. Es hätte nach den beiden Unentschieden nochmal der Startschuss werden können, eine Aufholjagd zu starten - und dann verlierst du gegen eine Mannschaft, die nach der Insolvenz wohl schon als Absteiger feststeht. Das tut doppelt und dreifach weh.

War's das im Aufstiegskampf für Sechzig?
Ich hoffe nicht! Es sind ja immer noch 33 Punkte zu vergeben. Du hast mit dem nächsten Spiel in Zwickau noch die letzte Chance, da oben irgendwie ranzukommen. Für mich ist die Saison schon noch zu retten, aber dafür muss einiges passieren.

Eisernes Regime unter Werner Lorant

Trainer Michael Köllner hat die Mannschaft nach der erneuten Niederlage gegen Halle dafür gelobt, ein anderes Gesicht gezeigt zu haben. Ist Ihnen dieses Gesicht ebenfalls aufgefallen?
Ich denke, man sollte eine solche Aussage des Trainers nach dem Spiel nicht auf die Goldwaage legen. Es bringt ja nichts, wenn er draufhaut. Das war schon der erste Schritt Richtung Mannschafts-Wiederaufbau. Wer weiß, was der Werner früher mit uns gemacht hätte...

Sie meinen Kulttrainer Werner Lorant. Er hätte Sie über den Platz gejagt...
... bis wir kotzen. Ganz genau, das war nicht nur einmal so. (lacht)

Es gibt Fans, die sich darüber beschweren, wenn das Team nach einer Niederlage mal frei hat. Was sagen Sie als jetziger Trainer und früherer Lorant-Schützling dazu?
Betrachtet man das aus dem Blickwinkel der Trainingslehre, ergibt ein Straftraining kurz nach dem Spiel natürlich keinen Sinn, das ist nicht mehr zeitgemäß. Da brauchen Spieler Regeneration. Es hatte früher aber den Begleiteffekt, dass wir manchmal schon vor dem Spiel Angst vor dem nächsten Training hatten. (lacht) Und im Ernst: Wir hatten viele Typen drin, die dann die Ärmel hochgekrempelt haben.

Riedl: Keine schlechte Mannschaft, aber Stoßstürmer fehlt

Hat 1860 nach dem Abgang von Sascha Mölders, der als TV-Experte auf der Tribüne in Ihrer Nähe saß, auch heute noch solche Charaktere drin?
An sich hat Sechzig keine schlechte Mannschaft. Die Spieler können es ja, wie man in dieser Saison schon öfter gesehen hat. Aber, nachdem ich schon ein Freund von echten Stoßstürmern bin: Der TSV hat es schon versäumt, im Winter einen adäquaten Ersatz zu holen. Wenn ich sehe, dass Lautern Halles Stürmer Terrence Boyd geholt hat: Wenn der fit ist, dann ist er eine Rakete. Sechzig hätte ein neuer Stürmer auch gutgetan. Es geht nicht nur darum, dass Mölders Tore schießt, er war auch ein dominanter Spieler. Jetzt müssen einfach alle zeigen, dass sie es besser können. Die Spieler brauchen Vertrauen in sich selbst, dann werden sie wieder Siege einfahren.

Ganz nach dem Vorbild Ihres Ex-Klubs Kaiserslautern.
Richtig: Die waren vor ein, zwei Jahren auch völlig verunsichert und ein Abstiegskandidat. Jetzt spielen sie um den Aufstieg. Wenn ich bei den Blauen einen Spieler wie Merv Biankadi und einige andere anschaue: Der kann es doch, bringt es momentan aber nicht auf den Platz. Manchmal liegen Welten dazwischen, wenn du Selbstvertrauen hast, oder eben nicht. Der Trainer kann da manchmal auch nicht so viel ausrichten: Köllner hat sein Prinzip und ein Konzept, den Rest müssen die Spieler erledigen. Das ist gerade alles eine Kopfsache bei den Löwen. Die Spieler müssen sich jetzt selbst aus dem Dreck ziehen.

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