Der Weglächler

Der TSV 1860 und der tiefe Sturz mit Krisenmanagement a la Stefan Reuter: Die Löwen am Tabellenende – doch der Sportdirektor sucht nur nach Ausreden.
von  Abendzeitung
1860-Geschäftsführer Stefan Reuter wollte es machen wie einst Hoeneß - und seinen Sorgenkicker bei sich aufnehmen.
1860-Geschäftsführer Stefan Reuter wollte es machen wie einst Hoeneß - und seinen Sorgenkicker bei sich aufnehmen. © sampics/Augenklick

MÜNCHEN - Der TSV 1860 und der tiefe Sturz mit Krisenmanagement à la Stefan Reuter: Die Löwen am Tabellenende – doch der Sportdirektor sucht nur nach Ausreden.

Als die Scheinwerfer aus und die Kameras abgeschaltet waren, war Stefan Reuter plötzlich wieder redselig. Da stand er und sprach mit Bayern-Manager Uli Hoeneß. Privat. Und wohl auch über seinen derzeit so schweren Job. Zu spät. Zuvor nämlich hatte BR-Moderatorin Isabella Müller-Reinhardt gut 13 Minuten lang versucht, dem Sportdirektor des TSV 1860 Erhellendes zur Situation des Zweitliga-Letzten zu entlocken. Doch wie so oft, wenn es für ihn unangenehm wird, versteckte der 41-Jährige sein Wissen hinter einem zementierten Lächeln, hinter einer nicht zu erschütternden Fassade.

Dass Reuter erneut vor allem nach Ausreden gesucht hat, wunderte Reinhardt nicht. „Ich mag den Stefan Reuter, aber er ist bekannt dafür, dass er nicht zu den Menschen gehört, die Klartext reden“, sagte die Moderatorin am Dienstag der AZ.

Und so lächelte er, der Weltmeister von 1990. Es ist seine Form des Krisenmanagements bei den Blauen. Schließlich trägt er als Geschäftsführer nicht nur einen großen Namen, sondern auch die Verantwortung. So sagte er: „Natürlich mache auch ich Fehler, aber man darf sich nicht ergeben.“ Fragen schon gar nicht.

Reuter, der Weglächler, grinst Krisen weg. Dabei sind die Baustellen bei 1860 groß. Seit Januar 2006 ist er im Amt – die AZ zieht Bilanz:

DIE AUSREDEN

Selbst bei „Blickpunkt Sport“ suchte Reuter wiederholt nach Ausflüchten für den schlechtesten 1860-Start seit 47 Jahren. „Man darf nicht vergessen, dass die vier U19-Europameister lange gefehlt haben.“ Wie bitte? Denn vom Quartett waren nur die Bender-Zwillinge letzte Saison Stammspieler. Und Florian Jungwirth, der Kapitän der Europameister, wurde kurz nach dem Titelgewinn bei 1860 zu den Amateuren abgeschoben.

DIE PERSONALPOLITIK

90er-Weltmeister Reuter, der unter anderem in der Serie A bei Juventus Turin gespielt hat und mit Borussia Dortmund den Weltpokal gewann, sollte über Kontakte in ganz Europa verfügen. Sein Intimus jedoch ist Stephan Schwarz, der Löwen-Scout, der einst in der Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart tätig war. Gut ist, dass Daniel Bierofka und Benny Lauth auf Initiative Reuters zurückgekommen sind, aber ein glückliches Händchen hatte Reuter insgesamt eher nicht. So auch bei der Verpflichtung von Ex-Kapitän Markus Schroth (33). Der kehrte 2007 vom 1. FC Nürnberg zurück – und hat seitdem wegen Kniebeschwerden kein Spiel für 1860 bestritten. Interesse, den jüngeren und nicht ganz pflegeleichten Daniel Baier (24) zurückzuholen, hatte Reuter nicht. Nun ließ sich Baier von Wolfsburg an Sechzigs Liga-Rivalen Augsburg ausleihen. Ob die von ihm zusammengestellte Mannschaft nun endlich, in Reuters dritter Saison, den angestrebten Aufstieg schafft? Bislang ist 1860 Letzter.

DIE AUSSENDARSTELLUNG

Es kommt an, wenn Reuter mit den Fans spricht, sich volksnah gibt und ihnen – wie im Trainingslager in Bad Radkersburg – Bier serviert. Reuter ist einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer der vergangenen 20 Jahre. Er ist smart, bei den Sponsoren beliebt. Hier zeigt er seine Stärken. Hier ist sein Lächeln gefragt. Doch sein Profil als Manager? Mit Ex-Geschäftsführer Stefan Ziffzer war er auf eigenen Wunsch sogar bei einem Mental-Trainer.

DAS WUNSCHDENKEN

Zumindest auf dem Papier ist Reuter zielorientiert. In seinen Vertrag vom Januar 2006, der übrigens nach dieser Saison ausläuft, findet sich sogar eine Champions-League-Klausel. Sie garantiert dem Manager 250000 Euro, falls die Löwen in die Königsklasse einziehen. Damals war der TSV 1860 ein Aufstiegskandidat, seitdem kämpfte der Verein 2006 und 2008 zweimal gegen den Abstieg. Trotzdem gab Sportdirektor Reuter im Sommer neue, forsche Ziele aus: „Wir sind in der Zweiten Liga Herausforderer, es wird der dritte Platz angestrebt. Über die Relegation wollen wir aufsteigen.“

Oliver Griss

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