Der TSV 1860 kehrt heim

GIESING - Mittwoch, 30. Juli 2008, 19.30 Uhr: Plötzlich wird alles an früher erinnern: Die Blauen laufen gegen Kaiserslautern auf – in ihrer alten Giesinger Arena, die jetzt vor allem für die Amateure vom Rivalen Bayern noch mal aufgemöbelt wurde.
Wenn heute Mittwoch um 19.30 Uhr im Grünwalder Stadion beim „Giesinger Heimatabend“ die Sechzger gegen den 1.FCKaiserslautern antreten, erinnert alles an früher. An die 60er Jahre, als beide Vereine noch zu den Besten gehörten. Das Spiel war ein Klassiker – zwei Gründungsmitglieder der Liga, hochkarätiger Fußball.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Der Test der zwei Teams firmiert unter dem Begriff „Nostalgie-Spiel“. Eine treffende Bezeichnung. Denn die Lauterer kicken mittlerweile in Liga 2, in der vergangenen Spielzeit hielten sie gerade so die Klasse. Auch die Löwen treten seit dem Abstieg 2004 eine Etage tiefer an. Ihre Heimspiele tragen die Blauen längst nicht mehr auf Giesings Höhen aus, sondern in der Allianz Arena, dem Fußball-Tempel des Erzfeinds FC Bayern in Fröttmaning. Im altehrwürdigen, aber schon etwas maroden Grünwalder Stadion laufen dagegen Jugendmannschaften von 1860 und Bayern auf, sowie die Amateurteams. Auch mit der Einführung der Dritten Liga bleibt die zweite Garde der Bayern im Grünwalder. Am Sonntag besiegte sie dort Union Berlin mit 2:1.
Im April hatte der Münchner Stadtrat 800000 Euro bewilligt, um Umbaumaßnahmen am Stadion zu finanzieren. Denn der heilige Löwengrund erfüllte die Auflagen der Dritten Liga nicht. Der Deutsche Fußballbund (DFB) und die Polizei hatten unter anderem eine neue Lautsprecheranlage, Kameras, Zäune und Polizeicontainer gefordert. „Die Umbauten sind der erste Schritt der Stadt, das Grünwalder längerfristig zu erhalten. Obwohl in dem Stadion im jetzigen Zustand langfristig kein Profifußball möglich wäre“, sagt Roman Beer, Vorsitzender des Vereins „Freunde des Sechz'ger Stadions“. Für die nächsten Jahre scheint der Spielbetrieb dank Umbau aber gesichert.
Der Nachteil für die Blauen: „Die Löwenfans leiden jetzt unter den Maßnahmen – wie den Zäunen zwischen Block G und H. Diese Auflagen waren nur wegen der Bayern nötig“, bemängelt Beer. Außerdem können nur noch 10240 Fans – anstatt früher rund 21000 – die Spiele im Grünwalder verfolgen. „Aber wenigstens wird das Stadion wieder mehr genutzt“, sagt Beer.
Zumindest die Abrisspläne sollten vom Tisch sein
Die Löwen-Anhänger hoffen wieder. Roman Beer weiß: „Der Wunsch der Fans, dass die Sechzger wieder im Grünwalder Stadion spielen, ist nach wie vor sehr groß.“ Zumindest die Abrisspläne sollten durch die neuen Investitionen erst einmal vom Tisch sein, hofft Beer. „Es ist ja schon länger im Gespräch, ein neues Stadion für die Jugendmannschaften des TSV und des FC Bayern zu bauen. Ich glaube aber, dass es die Stadt München mehr kosten würde, ein neues Stadion zu bauen, anstatt das alte zu erhalten.“
Dass die Stadt für die Roten Geld ins Stadion gesteckt hat, findet Löwenfan Sepp Neubauer nicht in Ordnung. „Die haben doch selber genug Kohle.“ Sepp Neubauer ist ein Blauer, so lange er denken kann. Das erste Mal nahm ihn sein Vater auf den Schultern mit ins Grünwalder. „Das muss um 1960 rum gewesen sein“, erinnert er sich. Später stand er in der Westkurve, dann wechselte er in die Ostkurve. Als es das Budget erlaubte, besorgte sich der gebürtige Giesinger eine Karte für die Haupttribüne. Als die Löwen ins Olympiastadion zogen, ging er mit. Und dann wieder zurück nach Giesing. Jetzt besucht er die TSV-Spiele in der Allianz Arena. „Aber nicht mehr so regelmäßig wie früher. Wobei ich zugeben muss: Die Allianz Arena ist schon ein gutes Stadion.“
Auch am Mittwochabend, wenn die Sechzger gegen Lautern spielen, ist Sepp Neubauer im Stadion an der Grünwalder Straße. „Ich will sehen, wie sie drauf sind, es dauert ja nicht mehr lange bis zum Start“, sagt er. Die Hoffnung, dass irgendwann einmal wieder die Löwen-Profis in Giesing auflaufen, hat er inzwischen aufgegeben: „Da müssten sie schon absteigen, und selbst dann würden niemals alle Fans ins Grünwalder Stadion passen. Schön wär’s ja – aber da muss man einfach ein bisserl realistisch bleiben.“
Egal. An diesem Abend dürfen die Blauen auf Giesings Höhen wieder träumen. Zumindest für 90 Minuten.
Von Christoph Landsgesell