„Der Trainer spricht nicht mehr mit uns“

1860-Coach Ewald Lienen ist von seiner Mannschaft enttäuscht – und lässt sie das jetzt auch spüren. Hier erzählt Löwen-Profi Aigner, wie es nun zugeht an der Grünwalder Straße.
MÜNCHEN Wenn Stefan Aigner sich in diesen Tagen mit seinen Freunden trifft, muss sich der gebürtige Münchner einige Beschwerden anhören. „Das sind alles Blaue, die leiden richtig und fragen mich ständig, wie man nur so einen Mist zusammenspielen kann, wie wir es tun“, erzählt er.
Aber auch Aigner leidet. Der Mittelfeldspieler, der bei der letzten Pleite in Paderborn am Freitag wenigstens noch den Ehrentreffer beim 1:3 erzielt hat, ist selber Fan der Blauen, er ist zwischen Sechzgerstadion, Candidstraße und Tela-Post aufgewachsen, war mit vier Jahren zum ersten Mal bei einem Löwen-Spiel, seine Opas sitzen bei jedem Heimspiel auf der Tribüne. Aigner: „Das Problem ist, dass ich denen oft Recht geben muss, wir spielen ja auch oft einen rechten Dreck zusammen. Jetzt sind wir wieder da, wo wir nicht mehr hinwollten.“
Gefangen im Mittelmaß der Liga und zudem mitten in einer Debatte, ob die Kicker ihren Beruf mit der richtigen Einstellung ausüben.
Auch Trainer Ewald Lienen ist sauer auf seine Spieler. Doch auf Schimpftiraden scheint er keine Lust mehr zu haben. „Der Trainer spricht nicht mehr mit uns“, erzählt Aigner, „im Training hat er gerade kaum ein Wort gesagt.“
Das ist keine Beschwerde, Aigner kann den Trainer sogar verstehen. Wieso sollten schließlich nur die Fans mit ihrer Geduld am Ende sein?
„Einen schlechten Tag kann jeder Spieler mal erwischen, aber dann muss man sich wenigstens den Arsch aufreißen und kämpfen. Und in Paderborn haben wir das nicht gemacht, das war grausam“, gibt Aigner zu, der sich selbst auch nicht ausnimmt von der Kritik. „Okay, ich habe das Tor geschossen, aber davon kann ich mir auch nichts kaufen. Ich habe auch nicht gut gespielt und ich glaube auch nicht, dass ich beim Trainer jetzt nur wegen des Tores einen Bonus habe. Ich muss mich im Training genauso beweisen wie alle anderen“, sagt er, „der Trainer wird jetzt ganz genau beobachten, wer Gas gibt.“
Tatsächlich scheint Lienen, der eigentlich stets an das Gute im Menschen glaubt, es ernst zu meinen mit seinem harten Kurs. „Ich habe keine Lust mehr zu labern, jetzt zählen nur noch Taten“, hatte Lienen schon am Dienstag gesagt.
Am Mittwoch dann beobachtete er erst mit grimmiger Miene das Training, ehe er wieder feststellte, dass nicht alle seine Spieler die richtige Einstellung haben würden: „Klar ist, dass sich die Einstellung einiger um 180 Grad drehen muss. Es wird nur noch derjenige auf dem Platz stehen, der alles gibt“, sagt er.
Es gäbe genügend Spieler im Kader, die „begreifen, worum es geht“, meint Lienen.
Seine Aufgabe sei es jetzt, im Training herauszufinden, wer wirklich bereit wäre, alles zu geben. Lienen stellt immerhin fest: „Da gibt es schon Unterschiede.“
Filippo Cataldo