Der Streit ums Sechzger

München - Ein einstimmiger Beschluss für eine dauerhafte Zukunft des Stadions auf Giesings Höhen: Viele Aktivisten für den Erhalt des Sechzgers hätten nach über einem Jahrzehnt Diskussionen über einen Abriss nicht zu träumen gewagt, in welcher Einmütigkeit sich der Münchner Stadtrat Ende 2009 für eine dauerhaft angelegte Sanierung des Stadions aussprach. Zuvor hatte die Stadtverwaltung andere Standorte für ein Drittliga-taugliches Kleinstadion untersucht, aber als nicht realisierbar und zu teuer befunden. Bis 2014 wird das Stadion für 10,28 Millionen Euro unter anderem eine Rasenheizung und moderne Räumlichkeiten für Mannschaften, Betreuer, Medien und Polizei sowie eine neue Gaststätte erhalten. Das Stadion wird dann im normalen Betrieb für rund 12000 Zuschauer zugelassen sein, wobei mit Ausnahmegenehmigungen wohl weiterhin bis zu 21000 Besucher Einlass finden werden.
Während sich die Löwenfans einerseits über den Erhalt Freude, führte die seitens der Stadtspitze vorgenommene barsche Ablehnung der Pläne für einen bundesligatauglichen Ausbau des Stadions, die im Frühjahr 2010 von der sogenannten „Projektgruppe Stadionzukunft” des TSV 1860 vorgestellt worden waren, zu Verärgerung. Die Projektgruppe, die aus in der Bau- und Immobilienbranche tätigen Vereinsmitgliedern gebildet worden war, hatte das Ausbaukonzept zusammen mit externen Architekten, Fachplanern und Juristen erstellt. Das vorgelegte Konzept wäre aus Sicht der Projektgruppe im Vergleich zur jetzigen Situation an der Grünwalder Straße einem großen Fortschritt in Sachen Komfort, Verkehrserschließung, Lärmschutz, Sicherheit und Rettungswegsituation gleichgekommen, so dass München mit dem Stadion auf Giesings Höhen Vorreiter für den Bau zukunftsfähiger innenstädtischer Spielstätten hätte werden können. Und der TSV 1860 hätte ein mit rund 30000 Plätzen auf seine Verhältnisse zugeschnittenes und im Vergleich zu den Mietkonditionen in der Allianz-Arena deutlich günstigeres Stadion erhalten.
Der Stadionentwurf fand zwar ebenso wie die Tatsache, dass die Löwen etwas Seriöses zu Papier gebracht hatten, lobende Worte von Oberbürgermeister Ude. Auch die zuvor heiß diskutierten Themen Brandschutz, Verkehr und Sicherheit spielten nun keine große Rolle mehr und waren somit scheinbar gelöst, allerdings sah Ude die seiner Meinung nach wichtigsten drei Fragen nicht hinreichend beantwortet: Die Ausstiegsmodalitäten aus dem Vertrag mit der Allianz-Arena waren nicht geklärt, die vorgesehene öffentliche Bürgschaft über 35 Millionen Euro für die Gesamtbaukosten von rund 52 Millionen Euro war nach Meinung des Stadtkämmerers rechtlich nicht möglich und außerdem hätte es sich bei dem Entwurf nicht um einen „Umbau im Bestand”, sondern um einen Neubau gehandelt, der in dieser Lage nie genehmigungsfähig wäre. Hatte es jahrelang – geprägt von den Ansichten des inzwischen verstorbenen früheren 1860-Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser – hinsichtlich eines Stadionausbaus „Es geht halt ned!” geheißen, befand nun der in der Münchner Kommunalpolitik sehr erfahrene Projektgruppen-Leiter Christian Waggershauser: „Es geht halt schon. Aber die Stadt hat nicht den politischen Willen dazu gezeigt.”
Warum war dieser Wille nicht da? Der Zeitpunkt war wohl schlecht, nachdem 1860 zuletzt aufgrund finanzieller Krisen meist für negative Schlagzeilen gesorgt hatte und erst in dieser schwierigen Situation erkannte, wie der Ausweg lauten kann. Nach dem Bundesliga-Aufstieg 1994 und zu Zeiten großen sportlichen Erfolgs im Jahr 2000, als beide Male Pläne für einen Ausbau des Sechzger-Stadions geschmiedet wurden, wäre ein besseres politisches Klima vorhanden gewesen.
Damals hat der TSV 1860 unter der Ägide Wildmosers die Chancen verpasst und sich lieber in das jeweilige Stadion des Lokalrivalen begeben. Das Profil des Vereins ist dadurch immer unschärfer geworden und die Fanszene hat sich gespalten. Viele Fans sehen in einer Rückkehr nach Giesing, in jenen Stadtteil und in jenes Stadion, wo die Löwen seit 100 Jahren ihre Heimat haben, weiterhin als den einzigen Ausweg an, um die „Marke 1860” wieder zu stärken.
Zum Abschluss bleibt somit die Hoffnung, dass die Konzepte für den Ausbau des Sechzger-Stadions nicht im Papierkorb, sondern allenfalls in der Schublade gelandet sind. In diesem Sinne: Auf die nächsten 100 Jahre!