Der nette Herr Moniz? Von wegen!
München - Es sollte sich niemand wundern, wenn der Trainingsplatz an der Grünwalder Straße künftig in vier oder fünf verschiedene Sektionen aufgeteilt sein wird. In einer werden ein paar Spieler zum Beispiel versuchen, den Ball so lange wie möglich oben zu halten, in einer anderen werden sich die Spieler wieder und wieder und wieder den Ball zuspielen. Und mittendrin – und irgendwie überall gleichzeitig wird Ricardo Moniz sein. Die Trainingseinheiten dürften für Zuschauer deutlich amüsanter sein als bisher.
Mit dem noch 49 Jahre alten weit gereisten Niederländer haben die Löwen sich zwar niemanden mit einem ganz groß klingenden Namen, aber zweifellos einen der interessanteren Trainer geangelt. Wer sonst kann schließlich Albert Einstein als „meinen zweiten Vater“ bezeichnen?
Okay, es geht nur um den Albert Einstein des Fußballs, aber immerhin. In Holland vergleichen sie die 2011 verstorbene Trainerlegende Wiel Coerver mit dem Erdenker der Relativitätstheorie.
In den siebziger Jahren entwickelte Coerver seine „Coerver-Methode“, eine Trainingslehre, die vor allem Wert legt auf die Schulung der Technik, auf exzellente Ballbehandlung und perfektes Passspiel. Ohne Coervers Methoden wären der holländische Voetbal total, das spanische tiki-taka, die guardiol’schen Ballbesitz-Orgien undenkbar. [/GRUNDTEXT]„Ricardo ist einer von nur zwei Schülern von Wiel Coerver“, sagte mal der frühere HSV-Trainer Martin Jol über seinen damaligen Technik-Trainer. Moniz ist jahrelang bei Coerver in die Lehre gegangen, er folgte seinem Lehrmeister sogar nach Katar, wo der im hohen Alter noch tätig war.
Lesen Sie hier: Was die User von az-muenchen.de über Ricardo Moniz denken
Ob 1860-Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner mit der Verpflichtung des „total leidenschaftlichen Fußball-Fanatikers“ (Präsident Gerhard Mayrhofer) wirklich ein Coup gelungen ist, wird sich zeigen. Die Sehnsucht vieler Fans nach einem Trainer, der auch mal laut werden kann und von den Spielern verlangt, aufs Äußerste zu gehen, dürfte er aber gestillt haben. „Er ist kein Ja-Sager. Er lässt sich nicht in seine Arbeit reinreden, er achtet ganz genau darauf, dass ja keine Wohlfühl-Oase entsteht“, sagte Poschner der AZ. „Ich finde, dass du etwas verkörpern musst, mit dem sich das Publikum identifiziert und das hängen bleibt. Ich erwarte von den Spielern, dass sie etwas extra bringen, dass sie etwas ausstrahlen und die Leute inspirieren. Da bin ich als Trainer nicht einfach“, sagte Moniz in seinem ersten Interview als Löwentrainer, das auf der Website des TSV 1860 veröffentlich wurde. Außerdem erklärt der Neue da, dass ihn der deutsche Fußball der Siebziger geprägt habe, „weil er genau die Spielertypen hatte, die etwas extra bewegt haben: Beckenbauer, Grabowski, Overath.“
Moniz selbst dürfte zudem technisch beschlagener sein dürfte als viele seiner Spieler. „Du bekommst als Trainer nur Respekt von den Spielern, wenn du ein Eins-gegen-Eins gewinnen kannst“, hat Moniz mal gesagt. Ein weiteres Credo des Niederländers, der seit 20 Jahre Trainer ist, aber erst seit 2011 als Chefcoach arbeitet: „Niemand darf sich erlauben, auch nur einen Tag verstreichen zu lassen, ohne besser geworden zu sein.“ Das klingt nach Jürgen Klinsmanns einstigem Mantra bei Bayern. Vielleicht zeigt Moniz dem jetzigen USA-Trainer ja, wie das geht.
- Themen:
- Jürgen Klinsmann
- TSV 1860 München