Der Fußball-Held, der bei 1860 keiner werden konnte

München – Die Statue des Heinz Flohe, sie steht in Köln. Die nach ihm benannte Fußballschule, auch sie ist in Köln. Weil „Flocke“, wie er einst genannt wurde, Kölner war. Oder besser: Euskirchener. Ein FC-Idol, wen immer man beim 1. FC Köln fragt. Was aber gerade die jüngere Generation fast vergessen hat: Flohe gehörte nicht wie Wolfgang Overath zu den Spielern, die nur für die Geißböcke aufliefen. Flohe verließ einst den FC. Und wechselte zum TSV 1860.
Ohne seine – viele zu kurze und tragische – Zeit bei den Löwen wäre die Geschichte des Heinz Flohe nicht komplett. Die Geschichte eines der begnadetsten Fußballer aller Zeiten. Die Geschichte eines eigenwilligen, öffentlichkeitsscheuen, hochtalentierten Pioniers der Fußballkunst. Die Geschichte eines vergessenen Helden Fußball-Deutschlands, dessen Karriere ein für sein ganzes Leben katastrophales Ende nahm. Eine Geschichte, die zum Glück nur fast vergessen ist.
Denn dank eines außergewöhnlichen Films lebt „Flocke“ in den Herzen der Fußball-Fans weiter. Nicht verklärt. Nicht auf einen Sockel gehoben, auf den er nicht gehört. Kein reingewaschenes Machwerk wie „Das Sommermärchen“ oder gar „Die Mannschaft“, mit denen der DFB zeigen wollte, wie ach so natürlich die deutsche Nationalmannschaft doch ist. Nein, der Film „Heinz Flohe - Der mit dem Ball tanzte“ (Edition Steffan, 104 Minuten plus Bonusmaterial, 19.99 Euro) ist die Chronologie eines Lebens, das allzu viele Aufs und Abs kannte und in entscheidenden Momenten von unerklärlichem Unverständnis beeinflusst wurde.
Vor allem aber handelt der Film vom außergewöhnlichen Talent Flohes. „Er war ein Artist“, sagt Jupp Heynckes, einer der vielen prominenten Zeitzeugen. Für Günter Netzer „hat bei uns in Deutschland keinen gegeben, der diese technischen Fähigkeiten gehabt hat“. Für Franz Beckenbauer gehörte er „zu den besten Technikern der Welt“. Und Wolfgang Overath, sein damaliger kongenialer Partner im Mittelfeld, spricht noch heute vom „Brasilianer Flohe“, der mit dem FC 1978 Meister und Pokalsieger wurde und noch zwei weitere Male den Pokal in die Höhe stemmen durfte. Auch Weltmeister wurde er, 1974, wollte sich aber nie so nennen, da Trainer Helmut Schön eine bis heute nicht wirklich erklärliche Abneigung gegen Flohe hegte und er das war, was man heute WM-Tourist nennen würde.
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Eine solche Abneigung trieb ihn 1979 von seinem heißgeliebten FC weg und in die Arme des TSV 1860. Franz Beckenbauer hatte ihn schon früher zum FC Bayern holen wollen. Doch die Löwen mit dem Ex-Kölner Jupp Kapellmann nutzten die Gunst der Stunde, als sie sich ihnen bot. Was hätte Flohe noch für eine Karriere haben können in München, wo er sich schnell wohl und geschätzt fühlte. Sogar eine Rückkehr in die Nationalmannschaft schien im Herbst 1979 wieder in greifbarer Nähe. Hätte er sich nicht am 1. Dezember desselben Jahres gegen den MSV Duisburg den Unterschenkel gebrochen. Das 14. Pflichtspiel für den TSV war sein letztes. Irreparable Schäden im Bein. Auch an den Nerven. Karriere-Ende. Lebenslange Schmerzen. Manche mutmaßen, dass seine späteren Herzprobleme durch die starken Morphium- und Cortison-Behandlungen ausgelöst wurden.
Bei 1860 durfte er nie zum Helden werden, durfte nie zeigen, was wirklich in ihm steckte. Doch auch der TSV sollte Flohe nicht vergessen, denn er spielte in einer Zeit bei den Löwen, die dem heutigen Klub als Vorbild dienen könnte. Genauso wie Flohe, der Ballartist selbst, der im Juni 2013 nach drei Jahren Wachkoma viel zu früh mit 65 Jahren verstorben war. Flohe hat es verdient, dass man sich an ihn erinnert. An das, was er auf dem Fußballplatz geleistet hat. Und auch an das, was ihn neben dem Platz zu einem ganz normalen Menschen machte.