Der Bomber: 1075 x 1860

Bei einem Torjubel für Beppo Hofeditz wurde Axel Dubelowski einst hellhörig. Seitdem geht er zu den Löwen. Bei Wildmoser unerwünscht, ist der 40-Jährige inzwischen Fanbeauftragter – mit einer eigenen Ausstellung in Puerto Giesing
Der 24. März 1979, ein bedeutsamer Tag. Für den großen Verein aus der Säbener Straße und für einen kleinen Buben aus Unterföhring. Im fernen Mönchengladbach gewann der FC Bayern mit 7:1, ihr bis heute allerhöchster Auswärtssieg der Bundesliga. Und im nahen Olympiapark ging der achtjährige Axel Dubelowski mit seiner Mama spazieren. Auch dort spielten sie im Stadion gerade Fußball, plötzlich Jubel, kurz nach halb 4, und die Durchsage, dass der Torschütze Beppo Hofeditz gewesen sei.
Der Axel wurde hellhörig, die Mama kaufte ihm eine Karte, er ging rein ins Stadion und sah die Löwen gegen den Karlsruher SC 3:0 gewinnen. Das erste Spiel, von inzwischen 1075.
1075 mal 1860. Das ist recht viel. Vor allem viel Leid.
In der Fangemeinde ist Dubelowski längst nur als „Löwenbomber“ bekannt, nach jahrelangen Querelen mit der Vereinsführung und Stadionverbot unter dem damaligen Präsidenten Wildmoser ist er inzwischen der Fanbeauftragte der Löwen. Bindeglied zwischen Verein und Volk.
Der Bomber hat auch viel fotografiert bei seinen Reisen, und viele seiner Bilder hängen jetzt in einer Ausstellung. Im „Puerto Giesing“, dem alten Hertie an der Tegernseer Landstraße 64 (noch bis zum 20. Mai, täglich 15 bis 19 Uhr). Ein Wahrzeichen des Stadtteils, das schon bessere Tage gesehen hat, recht trostlos ausschaut, aber auch seinen unverwechselbaren Charme hat. Passt also genau zum TSV 1860.
In den Räumen des Puerto Giesing, das wenn auch nur vorübergehend endlich wieder ein Zentrum der freien Münchner Kunst- und Musikszene ist, hängen nun des Bombers Bilder. Zwischen Plattling und Parma, Landshut und Leeds, Bayreuth und Borisov. Blaue Impressionen.
„Die Zeit in der Bayernliga“, sagt Dubelowski, „die hat ganz besonders geprägt.“ Der Frust etwa, am legendären Gründonnerstag 1984, beim 6:1 gegen Fürth nicht live dabei gewesen zu sein, weil ihm die Mama wegen seiner 13 Jahre den Besuch eines Abendspiels untersagt hatte, das nagt bis heute. Und dann die aufregenden ersten Male in der Westkurve, die für den Axel so etwas Einzigartiges hatte. „Ich denke immer an den Geruch der Zigaretten“, meint er, „was die Leute da zammgeraucht haben. Dieser Rauch war unverwechselbar. Das gehörte einfach dazu.“
So wie für andere junge Menschen in seinem Alter damals die Anfahrt mit der Fünfundzwanziger, die auf der Fahrt zum Stadion an einem Samstag Nachmittag gesteckt voll war und sich erst am Ostfriedhof immer schlagartig entleerte, weil dann die ganzen Witwen mit ihren Gießkannen zum Grabanpflanzen ausstiegen.
Natürlich verklärt sich mit den Jahren viel, wie oft ging man fluchend wieder heim, nach einem 0:0 gegen Ampfing, einem 0:3 gegen Vestenbergsgreuth. „Viele sagen immer, dass in der Bayernliga alles schöner war“, sagt Dubelowski, „andere schimpfen auf die Zeit. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Sportlich war es grausam, aber es war einzigartig. Auf die Dorfplätze in Niederbayern, wo die Hölle los war, weil die Löwen kamen. Mit dem Zug zwei Stunden hin, zwei zurück, das war herrlich.“
Nach Borisov war es im Zug ein bisserl länger. Da waren es 40 hin und 40 zurück.
Da waren die Löwen wieder oben und eigentlich auch schon wieder auf dem Weg nach unten. Das war im Juli 2002, UI-Cup in Weißrussland, 0:4, das wohl für Generationen letzte Europapokal-Spiel der Löwen.
Da war der Bomber auch dabei, genau wie 1997 beim ersten Uefa-Cup-Spiel in Tampere. Zum 1:0 gegen Gastgeber Jazz Pori kamen nur 1500 Zuschauer, davon aber 1000 Sechzger-Fans. Der Platz, ein Krautundrübenacker, skandinavische Provinz. Ein finnisches Plattling. Da fühlten sich die Sechzger wohl.
Unwohl fühlte sich Dubelowski in den letzten Jahren vor dem Bundesliga-Abstieg. „Wir sind immer mehr zu einer grauen Maus verkommen“, sagt er, „dass wir in die zweite Liga mussten, fand ich damals nicht so schlimm.“ Aber wer konnte schon ahnen, dass es danach so lange dauern würde, bis es wieder nach oben geht. Wenn überhaupt.
Am nächsten Sonntag wird Axel Dubelowski sein 1076. Spiel einer Mannschaft des TSV 1860 verfolgen. Um 14 Uhr geht es für die Regionalliga-Löwen im Spiel gegen Eintracht Bamberg um drei Punkte, als Tabellenelfter aber sonst auch um nicht viel mehr.
Danach wird Dubelowski die Tegernseer Landstraße runtergehen und ab 17 Uhr bei einer Führung durch seine Ausstellung, die noch bis 20. Mai dauert, seine Unikate und Exponate zeigen. Vor gut zwei Wochen übrigens feierte der Bomber im „Puerto Giesing“ auch seinen 40. Geburtstag. Jetzt ist er ein zwei Drittel Sechzger. Inzwischen darf er auch auf Abendspiele.
Florian Kinast