Der blaue Rückpass (16): Wilfried Kohlars

Meisterlöwe Wilfried Kohlars rechnet schonungslos mit den Spielern der Löwen ab. "Wenn ich die Mannschaft sehe, dann muss ich sagen: Die haben kein Herz, die haben keine Seele, um ein Team zu sein."
von  Abendzeitung
Wurde 1966 mit dem TSV 1860 Meister: Wilfried Kohlars.
Wurde 1966 mit dem TSV 1860 Meister: Wilfried Kohlars. © Rauchensteiner/Augenklick

Meisterlöwe Wilfried Kohlars rechnet schonungslos mit den Spielern der Löwen ab. "Wenn ich die Mannschaft sehe, dann muss ich sagen: Die haben kein Herz, die haben keine Seele, um ein Team zu sein."

AZ: Herr Kohlars, mit welchen Gefühlen denken Sie heute noch an Ihre Zeit bei den Löwen von 1963 bis1970 zurück?

WILFRIED KOHLARS: Was die sportliche und menschliche Seite betrifft, sicher nur positiv. Ich kam damals vom Duisburger SV, nicht zu verwechseln mit dem heutigen MSV Duisburg. Das ganze Klima bei 1860, die ganzen Erfolge, die Atmosphäre im Stadion das waren schon viele Highlights in erster Linie die sportlichen. Aber auch die Kameradschaft war einfach sehr gut. Gute Freunde sind wir auch heute noch. In der Summe war 1860 unter Max Merkel ein tolles Erlebnis.

Was haben Sie nach der Fußballzeit denn gemacht? Sie sind ja nicht mehr im Fußball geblieben.

Bei mir ist das ein kompliziertes Leben.

Erzählen Sie mal.

Ich war als Schüler und Student an der Technischen Hochschule München, wo ich während meiner Fußballzeit mein Staatsexamen als Diplom-Ingenieur gemacht und nebenbei ein Ingenieurbüro für Baustatik aufgebaut habe. Zusätzlich war ich im Immobilienbereich tätig und habe mich schließlich später mehr um Vermögensdinge gekümmert. Nach der Fußballkarriere kam meine Zeit im Beruf als Diplom-Ingenieur für Bauwesen. Das dritte große Standbein war immer mein Ingenieurbüro, gleichzeitig war ich auch im Immobilienbereich tätig, hab Häuser gebaut und vermietet. Ich habe immer viel gemacht in meinem Leben.

Wollten Sie also nie zurück auf die Fußballbühne? Als Trainer, Manager?

Nein, ich hatte ja eine gute Position dadurch, dass ich ein abgeschlossenes Studium hatte und auch im Beruf sehr schnell Erfolg hatte. Da gab es für mich gar keinen Grund, dass ich Manager oder Trainer werden sollte.

Sie leben einen Teil des Jahres immer in Südafrika. Wie kommt das?

Ich lebe seit 2000 immer im Winter für ein halbes Jahr in Südafrika. Ich habe in der Nähe von Kapstadt ein Haus gebaut und bin dort mit meiner Frau, wenn hier in München die kalte Jahreszeit anbricht. Ich mache das wie die Vögel, die gen Süden fliegen, wenn es hier Winter wird. (lacht). Ich fliege immer am 1. November hin und komme am 1. Mai zurück.

In der Zeit, in der Sie in München sind, gehen Sie sicher auch mal ins Stadion, oder?

Natürlich. Ich gehe zu allen Spielen, wenn ich in Deutschland bin. Das schau ich mir schon an, aber auch, um meine alten Kumpels wie Manni Wagner, den Rebele Hansi, Peter Grosser oder den Bernd Patzke zu treffen. Wirt reden über die alten wie auch von den jungen Zeiten, die ja leider nicht erfreulich sind.

Wie sehr bereiten Ihnen denn die letzten Jahre der Löwen Sorgen?

Um ehrlich zu sein, bin ich sehr traurig über das, was in den letzten Jahren abgelaufen ist. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es Sechzig nicht wieder in die Erste Liga schafft.

Wo liegen die Fehler?

Ich habe einfach das Gefühl, dass Sechzig in vielen Dingen einen Aufwand betreibt, die nicht dem Tabellenplatz in der Zweiten Liga entsprechen. Die krebsen im Mittelfeld oder ganz unten rum und unterhalten einen Stab von 28, 29 Profis, was für mich der reine Irrsinn ist für einen Zweitligaklub. Es wird nur Masse eingekauft, aber ganz wenig Klasse. Ich verstehe nicht, warum die eine so gute Jugendarbeit leisten und eine gute zweite Mannschaft haben und sich dann so einen Kader von - ich nenne es provozierend - Legionären halten, die eigentlich keine Bindung zum Verein haben und auch keinen besonderen Ehrgeiz. Die kriegen ihr Geld – egal, ob sie spielen oder nicht. Das ist für mich keine Mannschaft. Die intrigieren gegeneinander bzw. sind teilnahmslos, weil sie ja ihr Geld bekommen.

Harte Kritik.

Ich gehe noch weiter. Wenn ich die Mannschaft sehe, dann muss ich sagen: Die haben kein Herz, die haben keine Seele, um ein Team zu sein. Auch nicht nachvollziehbar ist für mich, was der Vorstand betreibt und was der Aufsichtsrat alles durchgehen lässt. Die geraten von einem finanziellen Loch ins andere. Bei 1860 tummeln sich viel zu viele Leute, die da angestellt sind. Ein Felix Magath erledigt all diese Dinge in Personalunion.

Wie bewerten Sie den neuen Trainer Ewald Lienen?

Wenn ich sehe, wie der Lienen beim letzten Spiel der abgelaufenen Saison, wo es wirklich um was ging, da mit seinem Notizbuch rumläuft – mal ehrlich: Es ist doch total uninteressant, was der an dem Tag aufschreibt. Was macht der Kerl da mit den Zetteln? Das hat doch nichts damit zu tun, was mit der Zukunft von 1860 ist. Der muss die Mannschaft, wo sie lange 1:0 geführt hat, hinten raus schicken und schauen, dass die nach vorne Druck machen und nicht alle hinten versammeln und dann ein Zufallstor kassieren.

Klingt nicht so, als würden Sie Lienen für den richtigen Mann halten.

Das kann ich nicht sagen. Ich kann den Mann überhaupt nicht beurteilen und werde mich auch dazu nicht äußern. Ich sehe nur, dass das falsche Attitüden sind. Da hat man das Gefühl als Zuschauer, dass der dem Außenstehenden nur vermitteln will, dass er alles sehr fleißig und sorgfältig notiert, was für mich aber total uninteressant ist. Ich habe diese Passivität auch bei anderen Trainern gesehen, mit der die an der Außenlinie stehen. Dieser Österreicher (Walter Schachner, d. Red.), auch der Kurz zum Teil, der ja sicher ein ehrenwerter Mann war, aber dass die die Mannschaft auch mal nach vorne peitschen und so anschreien, dass die Spieler wissen, dass es jetzt höchste Zeit ist, das fehlt. Das irritiert mich so, dass man das nicht hinbekommt. Für 1860 ging es ja letztes Jahr um alles. Stellen Sie sich vor, Sechzig wäre abgestiegen, dann wäre der Verein in zwei, drei Jahren von der Landkarte verschwunden.

Würden sie eigentlich ja sagen, wenn man Sie fragen würde, ob Sie ehrenamtlich helfen wollen?

Da muss ich sagen: Nein. Ich bin in meinem Leben anderes gewöhnt. Wenn ich mich für etwas engagiert habe, dann wusste ich auch, dass ich ich das Sagen hatte oder zu zweit das Sagen hatte. Dies mit anderen Leuten teilen und absprechen, wo sich jeder Wichtigtuer sich dazwischen mischt, das mache ich nicht. Außerdem bin ich ja eh ein halbes Jahr nicht im Lande.

Wie schalten Sie privat ab?

Ich spiele immer noch viel Tennis, viel Golf und habe natürlich geschäftlich einiges zu tun mit meinen Finanzen. Da ist genügend Beschäftigung da.

Gelingt heuer der Aufstieg für die Löwen?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn ich jetzt schon sehe, was die eingekauft haben, das ist doch ein Witz. Die müssen acht, neun raus und zwei Gescheite rein. Das ist wie auf dem Bau. Die Baustelle lebt vom Polier. Da gehören zwei, drei rein, die die anderen auch mal in den Hintern treten und sagen: Reißt euch zusammen! Bei Sechzig sind fast nur Mitläufer.

Interview: Reinhard Franke

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