Demo gegen die Versager: Das Ende der Geduld
HAMBURG - Lienen und die Löwen verlieren auch auf St. Pauli. Nach nur zwei Siegen in acht Spielen rutscht der TSV 1860 auf Rang 15 ab. Wütende Fans demonstrieren lautstark gegen die Versager
Nein, damit hatte Miki Stevic wirklich nicht gerechnet. Als der 1860-Sportdirektor nach einem Fernseh-Interview aus den Stadion-Katakomben am Millerntor trat und zum Mannschaftsbus marschierte, erwartete ihn ein unangenehmer Empfang. Es waren rund 50 Löwen-Fans, die mit nach Hamburg gereist und nach der 1:3-Pleite der Sechzger bitter enttäuscht waren. Sie rüttelten am Gitterzaun. „Pfui!“, riefen manche. Und dann, im Chor und immer wieder: „Wir sind Löwen und ihr nicht!“
Stevic, im feinen Zwirn, nahm die Gruppe sehr wohl wahr, ging aber nicht zu den Fans, sondern stieg dann doch in den Bus. Er hatte begriffen. Die Geduld mit den Löwen, die so hoffnungsvoll in die Zweitliga-Saison gestartet waren, ist aufgebraucht.
Nach der neuerlichen Schlappe ist der TSV 1860 auf Platz 15 abgerutscht, beinahe in die Abstiegszone. „Das ist keine gute Bilanz“, gestand der enttäuschte Trainer Ewald Lienen resigniert, „weder von mir, noch von der Mannschaft. Das ist nicht befriedigend. Das haben wir uns ganz anders vorgestellt.“ Stevic ergänzte betrübt: „Die Momentaufnahme ist alles andere als erfreulich.“
Nur zweimal haben die Löwen in den letzten acht Spielen gewonnen. Zu dürftig, um die eigenen Ansprüche zu erfüllen. Sie würden ja gern aufsteigen am Saisonende. Aber das dürfen sie nun, nach nur einem Viertel der Saison, wohl getrost vergessen. „Acht Punkte in acht Spielen – das ist ganz klar zu wenig“, sagte Mittelfeldspieler Alexander Ludwig.
Schon ist Druck spürbar. Auch auf den Trainer. Ein Krisengespräch steht an der Grünwalder Straße ins Haus. „Wir werden analysieren“; erklärte Stevic am Sonntag, „was wir falsch gemacht haben und was wir besser machen können.“
In St. Pauli haben die Löwen anfangs viel Gutes gemacht, die ersten 30 Minuten waren lebhaft und energisch. Aber ein Tor haben die Blauen eben nicht geschossen.
Lienen: „Jeder im Stadion hat gesehen, wo unsere Baustellen sind. Wir können unsere Spielanteile nicht in Tore ummünzen.“ Der Trainer hatte Benny Lauth, mit drei Treffern in dieser Saison noch der beste Torschütze, allerdings zunächst auf die Bank gesetzt. So schuf Lienen Diskussionsstoff.
Der besteht auch angesichts der grotesken Abwehr- und Abstimmungsprobleme, die zu Gegentoren und letztlich in die Niederlage führten. Siehe beim 0:1 durch Carsten Rothenbach (29.): Ein Ballverlust von Tarik Camdal, Stellungsfehler von Antonio Rukavina, Radi Felhi und Torben Hoffmann – schon war der Ball drin. Oder das 0:2 durch Ebbers (58.), dem eine Indisponiertheit von Jose Holebas vorausging. Lienen: „Wir können nicht verkraften, dass wir permanent Fehler machen, die zu Toren führen.“
Kurz vor dem Ende verkürzte der eingewechselte Peniel Mlapa mit seinem ersten Zweitligator auf 1:2; im Gegenzug vollendete Naki (90.) zum 3:1 für St. Pauli. Ein unangenehmer Nachmittag für die Blauen im Hamburger Wind und Regen. Die nächsten Tage dürften für Lienen & Co. kaum gemütlicher werden. O. Griss