„Das ist Tierhaltung“
Die Diskussionen reißen nicht ab: Ins Sechzger Stadion an der Grünwalder Straße dürfen nur noch 10 240 Zuschauer. Die Stadionfreunde schimpfen auf die Stadt.
MÜNCHEN Viel Publikum kommt längst nicht mehr. Letzte Woche, als die Regionalliga-Löwen gegen Heidenheim null-drei untergingen, waren 1350 Zuschauer da. Und als die zweite Mannschaft der Bayern eine Klasse höher in der 3. Liga Mitte August 1:0 gegen Dresden gewann, kamen nur deswegen 7000 Besucher ins Grünwalder Stadion, weil die meisten Fans aus Sachsen angereist waren.
Es ist still geworden im Sechzger. Und doch gibt es nun wieder Rabatz. Der Verein „Die Freunde des Sechzger Stadions“ ist empört, dass die Stadt München die Kapazität drastisch verringerte. Auf nur noch 10 240 Plätze. Vereinschef Roman Beer spricht von „reiner Willkür“, die Stadt widerspricht und argumentiert mit Kostengründen. Sicher ist, dass das Sechzger langsam zusperrt.
1948 kamen mal 60 000 Zuschauer in die zerbombte Stadionruine an der Grünwalder Straße, zu einem Spiel der Löwen gegen Nürnberg. Beim ersten Bundesliga-Derby gegen die Bayern 1965 gab es Platz für 44 000, und nach dem Abriss der alten Stehhalle 1978 war das Zuschauer-Maximum beim Bundesliga-Aufstieg der Löwen 1994 immer noch bei 28 500.
Weil der alte Beton aber allmählich bröselte wie ein trockener Mürbteig, sperrte die Stadt immer mehr Blöcke, die Kapazität lag nur noch bei ganzen 21 272. Und nun der nächste gewaltige Schnitt, runter auf 10 240.
„Dafür gibt es keinen Grund“, klagt Beer, „so eine Einschränkung ist unverständlich.“ Vor allem, weil es nun etwa bei der jährlichen „Aktion XX-Tausend“ eigens Sondergenehmigungen für eine höhere Zuschauerzahl braucht. Zuletzt kamen im Mai beim Regionalliga-Spiel der zweiten Löwen gegen Jahn Regensburg 12 600 Besucher, für den Erhalt des Stadions.
Weiteres Ärgernis für Beer ist der neue Zaun inmitten der Westkurve unter der Anzeigetafel, der den bislang durchgehenden Doppelblock GH abtrennt. „Das ist wie ein Käfig für die Fans“, schimpft Beer, „das ist Tierhaltung.“ Was Günter Schwarz vom städtischen Sportamt freilich anders sieht. „Der Zaun ist notwendig, da die Westkurve bei Bayern-Heimspielen der Gästeblock ist“, sagt Schwarz, „so ist eine bessere Abtrennung möglich, die Polizei hat den Block besser im Griff.“ Die Reduzierung der Kapazität dagegen sei reine Sparmaßnahme.
„Mehr als 10 000 Plätze sind laut DFB nicht notwendig für die 3. Liga und mehr braucht es auch nicht“, sagt Schwarz. „Jeder zusätzliche Platz kostet uns nur Geld.“ Heißt: Bei einer Zulassung für weiterhin 21 272 müssten etwa mehr Ordner vor Ort sein und mehr Reinigungspersonal, egal, ob die Plätze belegt sind oder nicht.
Beer jedoch befürchtet, dass das Sechzger in der Öffentlichkeit jetzt immer mehr als abrissreife Bauruine wahrgenommen wird. 2009 entscheidet der Stadtrat, wie und ob es überhaupt mit dem Stadion in Giesing weitergeht. Und wenn ja, ob dann bald überhaupt noch jemand rein darf.
Florian Kinast