Das Gespenst im Nacken - Abstiegskampf emotional

Das große Zittern beim TSV 1860 München geht unvermindert weiter. Die Löwen suchen im Abstiegskampf den neuen Patrick Milchraum.
von  Marc Merten
Der TSV 1860 muss wohl bis zum Schluss um den Klassenerhalt zittern.
Der TSV 1860 muss wohl bis zum Schluss um den Klassenerhalt zittern. © sampics

Das große Zittern beim TSV 1860 geht unvermindert weiter. Die Löwen suchen den neuen Patrick Milchraum.

München - Dem Abstiegsgespenst wird nachgesagt, ein höchst ungemütlicher Gast in den Stadion – und Gemütern – der Fußballvereine zu sein. Beim TSV 1860 war es lange nicht mehr zu Gast. Vor neun Jahren schaute es letztmals vorbei. Es hatte sich offenbar daran erinnert, wie unbekümmert es die Löwen zwei Jahre zuvor, im Frühling 2004, aufgenommen hatte.

Damals wurde es unsanft und radikal von Patrick Milchraum vertrieben. Sein Tor gegen Saarbrücken vor 60.000 (!) Zuschauer in der Allianz Arena rettete dem TSV die Klasse. Nun hat es sich wieder eingenistet in Giesing. Wohl auch, weil es sich immer dort am wohlsten fühlt, wo es sich gemütlich machen kann, weil es nicht ernst genommen wird.

In Aalen und Aue hat das Abstiegsgespenst keinen Spaß. Dort weiß man seit Saisonbeginn, was die Stunde geschlagen hat. Auch auf St. Pauli ist das Leben eher unangenehm. Der raue Ton an der Nordsee ist nur dann erträglich, wenn er mit Hochmut vermischt ist wie beim HSV. Deswegen ist es in den Süden gezogen. In Fürth und bei 1860 – hier bat man es fast schon freundschaftlich herein, ehe man erkannte, wen man sich da über die Türschwelle geholt hatte.

Und plötzlich begleitet es die Kleeblätter und die Löwen überall hin. Sogar nach hause auf die Couch. Wie Torsten Fröhling am Montagabend. Von daheim hatte er mitansehen müssen, wie sich der FC Erzgebirge Aue gegen Eintracht Braunschweig anschickte, den TSV in der Tabelle auf den Relegationsplatz zu verdrängen. „Klar habe ich das Spiel geschaut“, sagte er am Tag nach dem letztlich verdienten 4:2-Sieg der Niedersachen über den Abstiegskandidaten Nummer eins.

Doch das Gespenst im Nacken hatte ihm einen ungemütlichen Abend beschert. Zittern, bangen, hoffen – der Abstiegskampf wird immer mehr zu einer emotionalen Schlacht. Am Ende, das weiß Fröhling, das wissen die Spieler, entscheiden die Nerven. Längst sind die Löwen und die anderen vier noch gefährdeten Klubs nicht mehr nur von ihrem eigenen Geschick abhängig. Wohl wissend, dass keine der Mannschaften alle vier verbliebenen Spiele gewinnen wird, beäugen sie sich gegenseitig. Wie ist die Stimmung? Wie gut halten die Nerven? Wer nutzt wessen Schwächen wie aus?

Fröhling wird zwar nicht müde zu betonen, dass es die Löwen rein rechnerisch in den eigenen Händen halten. „Für uns war das Ergebnis der Auer in Ordnung. Wir müssen aber selbst die Punkte holen.“ Er weiß aber auch: Gerade in Sachen Nerven haben seine Spieler schon einiges liegen gelassen. Nicht am Samstag beim 1:1 in Düsseldorf, sondern in den drei Heimspielen vor dem Sieg gegen Bochum. „Die Punkte, die weh tun, sind die, die wir gegen Sandhausen, Aalen und Aue liegen gelassen haben.“

Gegen die direkte Konkurrenz. Gegen die, die man hätte distanzieren können. Jetzt muss es der TSV gegen höher eingestufte Teams rausreißen. Wenn es sein muss, am letzten Spieltag gegen den Aufstiegskandidaten aus Karlsruhe. In jedem Fall brauchen die Löwen einen neuen Patrick Milchraum. Am besten schon am Sonntag. Nicht gegen Saarbrücken, sondern gegen Union Berlin. Und dann nicht vor 60.000, sondern eher vor 16.000 Zuschauern.

Dabei gehört es zur Ironie des emotionalen Abstiegskampfes, dass zwei Ex-Löwen dem TSV noch sehr weh tun könnten. Markus Steinhöfer rettete dem VfR Aalen am Wochenende einen Punkt. Auch auch Bobby Wood traf für Aue. Ausgerechnet Wood, der im Falle eines Abstiegs der Veilchen wieder dem TSV 1860 gehören würde. Steigt er mit dem einen Klub also ab, hält er mit dem anderen wohl die Klasse. Die Geister, die er rief, wird er in dieser Saison definitiv nicht mehr los.

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