Interview

"Dann ging es bergab mit ihm": Campingplatzbetreiber erinnert sich an letzte Jahre von Lorant

2012 zog Werner Lorant auf einen Campingplatz in Waging am See. In der AZ erzählt dessen Betreiber Andreas Barmbichler von den Jahren mit dem berühmten Gast und seinen Freundschaftsdiensten.
von  Florian Kinast
Kult-Trainer Werner Lorant und Andreas Barmbichler im Löwen-Lokal an seinem damaligen Wohnsitz am Campingplatz in Waging am See.
Kult-Trainer Werner Lorant und Andreas Barmbichler im Löwen-Lokal an seinem damaligen Wohnsitz am Campingplatz in Waging am See. © IMAGO

AZ: Herr Barmbichler, bevor Werner Lorant Anfang 2024 ins Seniorenheim zog, lebte er bei Ihnen zwölf Jahre am Campingplatz. Was hatte ihn denn damals überhaupt nach Waging verschlagen?
ANDREAS BARMBICHLER: Ich bin ja ein alter Sechzger-Fan, im Januar 2011 hab ich hier eine kleine Bar eröffnet, den Löwenstadl. Mit schönen Erinnerungsstücken, Schals, Wimpeln, Bildern, alles natürlich in Blau gehalten. Eine gute Bekannte von mir, die Christl Estermann, die legendäre Wirtin vom Löwenstüberl an der Grünwalder Straße, hat mich damals gefragt, wen ich denn gern bei der Eröffnung dabei hätte, ob sie mir da helfen könnte bei der Vermittlung. Der Werner Lorant, hab ich ihr gesagt, der wäre natürlich super. Der Werner ist dann auch gekommen, und irgendwie hat's ihm hier auf Anhieb getaugt. Natürlich auch, weil er hier dann gleich die Gitti kennengelernt hat, die bis zum Schluss seine Lebensgefährtin war.

Barmbichler: "Werner hat dann immer nur abgewunken"

Und wann ist er dann bei Ihnen eingezogen?
Nach einem Jahr hat er mich gefragt, ob er sich hier niederlassen könnte, so bekam er dann von mir die Betriebsleiterwohnung mit rund 120 qm. Er hatte dann ja noch mal ein Engagement bei Dunajská Streda in der Slowakei, aber er nutzte auch da jede freie Minute, um wieder hierherzukommen.

Damals kursierten ja die wildesten Gerüchte. Lorant am Campingplatz, der finale Absturz, jetzt lebt er einsam und verarmt in einem Wohnwagen.
Das war alles natürlich unfassbarer Blödsinn. Ich hab ihm immer wieder gesagt: Werner, wehr dich doch gegen all diese falschen Berichte in den Medien, stell's doch mal richtig. Aber der Werner hat dann immer nur abgewunken und gemeint, ihm ist es egal, sollen sie doch schreiben, was sie wollen.

Da hat er sich wohlgefühlt: Ex-Löwen-Coach Werner Lorant beim Spaziergang am Campingplatz in Waging am See.
Da hat er sich wohlgefühlt: Ex-Löwen-Coach Werner Lorant beim Spaziergang am Campingplatz in Waging am See. © IMAGO

Lorant lebte in seiner Anfangszeit noch sehr abgeschirmt

Wie lebte er denn dann all die Jahre? Sehr zurückgezogen, wollte er seine Ruhe? Oder sah man ihn jeden Tag am Campingplatz oder bei Ihnen im Lokal?
Am Anfang hatte er schon noch einen Schutzschirm um sich herum. Da war er noch nicht so nahbar, aber das legte sich recht schnell. Er hat bald gemerkt, dass er sich hier frei bewegen kann, dass er auch einfach mal Semmeln kaufen kann, ohne blöd angequatscht zu werden. Man hat ihn und die Gitti jeden Tag mit ihrem Hund beim Spazieren am See gesehen. Sein absoluter Lieblingsplatz aber war im Biergarten, vorbei bei den Kastanien mit Blick über den See in die Salzburger Berge. Einmal hat er zu mir gesagt, wenn er gewusst hätte, wie schön's da heraußen ist, dann hätte er schon zehn Jahre früher als Trainer aufgehört und wäre gleich hierhergezogen. Und dass ihm die Camper hier tausendmal lieber sind als die ganze Münchner High Society.

Nach München fuhr er dann kaum noch?
Nur noch in den ersten Jahren, da ist er regelmäßig zu den Löwen-Spielen in die Arena, aber das war dann auch bald vorbei. Wenn er sich am Wochenende Fußball anschauen wollte, dann ist er nach Kirchanschöring oder Burghausen. "Profifußball juckt mich nicht mehr", hat er einmal gesagt, "ich hab die Schnauze voll davon, ich will nur noch ehrlichen Fußball."

Lorant sprang beim TSV Waging als Feuerwehrmann ein

2015 sprang er ja auch als Feuerwehrmann beim TSV Waging ein und bewahrte den Klub in den letzten sieben Saisonspielen vor dem Abstieg aus der Bezirksliga.
Unvergessen, in der Relegation gegen den ESV München, das entscheidende Tor in der 94. Minute. Das war natürlich ein reiner Freundschaftsdienst, so wie später seine letzte Station in Hallein. Das hat ihm einfach Spaß gemacht, wenngleich er die Burschen auch da noch mal ganz schön laufen hat lassen.

Bei Ihnen am Campingplatz gab er den Kindern Ihrer Fußballschule ja auch immer wieder Stunden, war er da genauso knorrig, wie man ihn kannte?
Gar nicht, genau das Gegenteil. Der frühere Club-Profi Dieter Eckstein war hier als Trainer engagiert, als er bei einem Benefizspiel einen Herzinfarkt erlitt. Also rief ich beim Werner an, der damals gerade auf seiner Finca in Estebona war, und fragte ihn, ob er einspringen könnte. Er sagte sofort zu, stieg in den nächsten Flieger, am nächsten Tag stand er hier auf dem Platz. Natürlich hab ich mich gefragt, Werner Beinhart, kann man den auf Kinder loslassen? Und auch die Eltern rund ums Spielfeld wirkten sehr skeptisch. Und dann machte er es ab diesem Tag so wunderbar, voller Herzlichkeit und Empathie, er trug die Kinder auf den Schultern, nahm sie in den Arm, half ihnen auf. Das war eine ganz andere Seite des Werner Lorant, wie man ihn sonst kannte, und ich hatte das Gefühl, die Arbeit mit Kindern hat ihm in den zehn Jahren hier auch viel mehr Spaß gemacht als die mit Profifußballern.

Werner Lorant war an der Seitenlinie nicht immer gut drauf.
Werner Lorant war an der Seitenlinie nicht immer gut drauf. © IMAGO

"Zu sehen, wie ein guter Freund zusehends verfällt, hat mich traurig gemacht"

Solange er bei Ihnen am Campingplatz lebte, war er bis zum Schluss imstande, das Fußballcamp zu leiten?
In seinem letzten Jahr 2023, da war schon zu sehen, dass es ihm nicht mehr so gut geht. Dieter Eckstein und auch Ex-Sechzig-Profi Uwe Wolf haben ihn aber gut eingebunden und ihre schützende Hand über ihn gehalten. Dann ging es aber doch bergab mit ihm. Ich habe ihn immer wieder im Heim besucht, er war dort auch gut aufgehoben und hatte eine gute Betreuung. Aber zu sehen, wie so ein guter Freund, der er in den Jahren geworden war, zusehends verfällt, das hat mich schon sehr traurig gemacht.

Was wird denn nun bei Ihnen bleiben von ihm? Bekommt er einen Schrein im Löwenstadl, eine Gedenktafel draußen am Campingplatz?
Es ist ja hier ein riesengroßes Freizeitgelände mit 34 Hektar. Wir werden in nächster Zeit sicher überlegen, ob wir eine Straße oder einen Platz benennen, ob wir am Fußballplatz an seine Zeit hier erinnern werden oder an seinem Lieblingsplatz unter den Kastanien. In jedem Fall werden wir das Andenken an ihn hier bewahren. Der Werner hat hier einfach dazugehört. Und er wird auch immer bei uns bleiben.

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