„Dann findet er in der Arbeit auch Halt“

Suchthilfe-Expertin über Göktan und 1860: „Der Verein könnte eine Vorbildrolle einnehmen“
von  Abendzeitung
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Suchthilfe-Expertin über Göktan und 1860: „Der Verein könnte eine Vorbildrolle einnehmen“

AZ: Frau Wiggenhauser, der TSV 1860 will Berkant Göktan nach der Kokain-Affäre eine zweite Chance geben. Ist das aus Ihrer Sicht eine richtige Entscheidung?

KARIN WIGGENHAUSER: Ja. Ein Fußballspieler ist ein Berufstätiger wie jeder andere auch, und da gehört es zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, ihm die Chance zur Wiedereingliederung zu heben. Unsere Erfahrung zeigt, dass jemand, der eine Aufgabe hat, einen Job, viel weniger rückfällig wird.

Weil die Arbeit auch sein Selbstwertgefühl steigert?

So ist es. Wenn es eine sinnvolle Arbeit ist, die zu ihm passt, dann findet er darin Halt, er fällt nicht mehr in diese Löcher rein. Klar ist aber auch, dass ihn der Arbeitgeber im Auge behalten wird. Wichtig ist vor allem, in welches Umfeld er zurückkehren wird. Es gibt leider viele Süchtige, die ein Problem mit nicht nur einem Stoff haben. Den Monokonsumenten gibt es kaum noch, einen, der nur Cannabis raucht, der nur Kokain nimmt, der nur Heroin nimmt. Wie wir wissen, liegen gerade Kokain und Alkohol eng beisammen.

Sport und Alkohol aber auch. Wer beim Feiern nach dem Fußball nicht mittrinkt, gilt als Spaßbremse, da herrscht nicht selten gesellschaftlicher Kollektivzwang.

Gerade bei Bier ist es extrem. Im Fernsehen wird jedes Spiel von einer Brauerei präsentiert, auf den Bandenwerbungen reiht sich eine Biermarke an die nächste. Hier ist nun auch der TSV 1860 gefragt. Durch die Wiedereingliederung Göktans könnte der Verein eine wichtige Vorbildrolle einnehmen im Engagement gegen Drogen.

Sehen Sie denn Parallelen zu Christoph Daum? Der schien nach seiner Kokain-Affäre auch nicht mehr vermittelbar, mittlerweile hat er nun doch wieder in der Bundesliga trainiert.

Nein, hier gibt es einen klaren Unterschied. Bei Daum ging es ja vor allem darum, ob er Bundestrainer wird. Ihn für die DFB-Aktion „Keine Macht den Drogen“ zu präsentieren, das wäre wirklich nicht glaubwürdig gewesen. Göktan dagegen ist ein junger Fußballer, der einen Fehler gemacht hat und nun wohl an seinen alten Arbeitsplatz zurück darf.

Die Tür ist offen für Göktan, was muss er nun tun?

Sich selbst hinterfragen. Wie es so weit kommen konnte, wie er zu diesem Suchtmittel kam, wie er heute anders damit umgehen würde, wenn er Probleme hat. Schlimm wäre nur, wenn er so weitermachen würde, als wäre nichts gewesen. Interview: Florian Kinast

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