Daniel Bierofka im Interview über den TSV 1860 München und Zu- und Abgänge
München - Das AZ-Interview mit Daniel Bierofka. Der 38-Jährige spielte in seiner Karriere mehrmals für den TSV 1860. Er trainierte bereits die zweite Löwen-Mannschaft, die Profis und war zuletzt Co-Trainer von Vitor Pereira. Nach dem Abstieg könnte der Ur-Löwe nun wieder die erste Mannschaft übernehmen.
AZ: Herr Bierofka, wie ist die Gefühlslage nach dem doppelten Abstieg der vergangenen Woche?
DANIEL BIERFOKA: Wenn du in vier Tagen zwei Mal absteigst, ist das einfach nur brutal – brutal für jeden, der mit den Löwen etwas am Hut hat. Man kann es gar nicht anders sagen. So etwas habe ich noch nie mitgemacht, weder als Spieler noch als Trainer.
Ihr Urlaub im italienischen Rimini fiel dem Absturz zum Opfer, Sie konnten sich weder erholen noch den Schock verdauen…
Ich habe schon am Samstag angefangen, mal zu schauen: Wie sieht es überhaupt aus, wie können wir weitermachen? Es war so viel zu tun, dass ich alles andere gut verdrängen konnte. Es hilft nichts, zurückzublicken und hinterherzutrauen: Wir müssen einfach schauen, dass wir einen guten Kader zusammenbekommen. Daran habe ich mit Wolfgang Schellenberg und Patrick Schwarz (Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und 1860-Justiziar, d. Red.) schon gebastelt.
Ein neuer Trainer wäre schon vorhanden.
Regionalliga darf ich mit meinem A-Trainerschein trainieren – wär‘ ja mal ein Vorteil, oder?
Der neue Präsident erklärte am Dienstag, dass Sie noch einen Vertrag hätten und er keinen Grund wüsste, weshalb Sie es nicht machen sollten.
Das stimmt auch, nur: Mein Vertrag galt bisher nur für die U21. Ich würde es gerne machen, weil ich die Bedingungen hier und die Mannschaft kenne und keine Einarbeitungszeit brauche. Wenn es der Verein möchte, dann bekommen wir auch einen neuen Vertrag unterschrieben, glaube ich.
Dann träfe nach dem Abgang von Vitor Pereira und seinem Trainerteam, Präsident Peter Cassalette und Geschäftsführer Ian Ayre zu, was Sie im Relegationsrückspiel aus der Fankurve hörten: "Außer Biero könnt ihr alle gehen."
Es ist schon bezeichnend, dass die Verantwortlichen fast alle weg sind. Aber auch das gehört der Vergangenheit an – jetzt muss es weitergehen.
Die Frage ist nur: Wie? Der Machtkampf zwischen Vereinsseite und Investor Hasan Ismaik ist in vollem Gange – Ausgang ungewiss.
Dabei fehlt mir der Einblick, und eigentlich will ich mich auch gar nicht damit befassen. Ich halte mich raus und habe genug damit zu tun, mich um das Sportliche zu kümmern. Der Verein, die Fans, ich selbst – wir müssen alle nach vorne schauen.
Was die Anhänger dabei brennend interessiert: Wie soll die Mannschaft aussehen? Man spricht im Präsidium von einem jungen Team, dessen Kern Spieler aus der U21 und U19 formen und mit erfahrenen Kräften ergänzt werden sollen. Können Sie das konkretisieren?
Aus der U19 kommen vier Spieler hoch, das sind Kilian Jakob, Dennis Dressel, Martin Gambos und Christoph Daferner (ein Außenverteidiger, ein defensiver, ein offensiver Mittelfeldspieler und ein Stürmer, d. Red.). Mit der U21 sind wir Vizemeister geworden, haben eine gute Runde gespielt und viel Potenzial. Ich hoffe, dass viele Spieler mitmachen – und wir dazu noch ein bissl Erfahrung und Qualität reinschmeißen können.
Stichwort junge Spieler: Felix Uduokhai, Marin Pongracic und Florian Neuhaus haben den Durchbruch geschafft und dürften kaum zu halten sein.
Da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben, Marins Vertrag ist aber noch gültig, wie die der restlichen U21-Spieler – das haben wir extra von unserem Justiziar prüfen lassen. Jeder weiß, was ich von ihm halte, aber wenn er weg will, müssen wir ihn immerhin nicht für‘n Appel und ‘n Ei gehen lassen.
Was erfahrene Akteure betrifft, könnten Timo Gebhart als Rückkehrer und der gebürtige Münchner Jan Mauersberger den Laden zusammenhalten.
Ich habe ja schon erklärt, dass wir Timo gerne hätten. Mit Jan sind wir in Gesprächen, und es sieht gar nicht mal schlecht aus. Aber es liegt an ihm. Wir brauchen nicht elf Klosterschüler, sondern auch gestandene Typen. Was die beiden wären. Wir wollen auch nicht einfach jemanden dazu kaufen, sondern wollen wieder unsere Identität wahren.
Sportliche Ziele auszurufen ergibt selbstredend noch keinen Sinn, aber: Wie gehen sie ins Rennen, was erwarten Sie von der neuformierten Truppe?
Ich denke, dass wir uns im ersten Jahr erst einmal stabilisieren müssen. Natürlich wollen wir erfolgreich sein, aber die jungen Spieler müssen sich daran gewöhnen, plötzlich für Sechzigs erste Mannschaft zu spielen, mit dem großen Fanaufgebot, dem Druck und dem medialen Interesse klarkommen. Wir sind dann nicht mehr die Jäger, die Gegner werden sich Freude und besonders motiviert sein, wenn 1860 kommt. Von meiner Seite aus gibt es keinen Druck. Ich will Leidenschaft sehen, Biss und Tempo – wir wollen den Fans etwas bieten. Sie sollen sagen: Diesen Löwen kann man zuschauen.
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